Kuba:Castro gegen Castro

Raúl Castro regiert ohne Opposition? Der bekannteste Oppositionelle scheint derzeit Fidel Castro zu sein.

Von Boris Herrmann

Weil es ja doch ein bedeutender Tag war für Kuba, meldete sich auch Fidel Castro zu Wort. Man wird schließlich nur einmal 89 Jahre alt. Anlässlich dieses Ereignisses verfasste er am Donnerstag einen Artikel für die Parteizeitung Granma. Er trug den Titel "Die Realität und die Träume". Den anderen bedeutenden Tag für Kuba, den Freitag, den Besuch von US-Außenminister Kerry, die Einweihung der amerikanischen Botschaft in Havanna, würdigte Castro mit keinem Wort. Das ist auch ein Statement.

Auffällig ist, dass der alte Mann den allgemein als historisch empfundenen Friedensprozess mit einer Mischung aus Ignoranz und Trotz begleitet. Präsident Raúl Castro hat Barack Obama neulich zugerufen: "Sie sind ein ehrlicher Mann!" Bruder Fidel äußerte sich bislang nur einmal direkt zum Tauwetter: "Ich traue den Amerikanern nicht und habe kein Wort mit ihnen gewechselt." In seinem jüngsten Granma-Beitrag erneuerte er ganz allgemein die Forderung nach Reparationen wegen des seit 1961 geltenden Embargos. Mit mir hätte es keinen Kuschelkurs gegeben, sollte das wohl bedeuten.

Raúl Castro hat das sozialistische Kuba für die Segnungen und Gefahren des Dollar geöffnet. Es heißt, er regiere ohne Opposition, aber das stimmt nicht ganz. Der bekannteste Oppositionspolitiker scheint derzeit Fidel Castro zu sein, der Revolutionsführer a. D., dessen Träume sich in der Realität auflösen.

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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