Krieg im Gaza-Streifen:Hamas stimmt Waffenruhe mit Israel zu

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Nach 22 Tagen haben Israel und die Hamas eine Waffenruhe beschlossen. Israels Streitkräfte wollen erste Soldaten aus dem Gaza-Streifen abziehen.

Die israelischen Streitkräfte haben am Sonntag mit einem gestaffelten Abzug aus dem Gazastreifen begonnen. Dies bestätigten Militärkreise in Tel Aviv am Sonntagabend. Nähere Einzelheiten in Hinblick auf Zahlen und Zeitrahmen wurden nicht genannt.

Ein israelischer Soldat mit Gebetsbuch: Nach der Zustimmung der Hamas steht einer Waffenruhe nichts mehr im Wege. (Foto: Foto: AFP)

Nach einer dreiwöchigen Militäroffensive hatte Israel knapp 24 Stunden zuvor eine einseitige Waffenruhe ausgerufen und die offensiven Kampfhandlungen im Gazastreifen in der Nacht zum Sonntag eingestellt.

Israel habe nun damit begonnen, seine Truppen "in Phasen" abzuziehen, verlautete aus Militärkreisen. Die militanten Palästinensergruppen hatten zuvor ihrerseits eine einwöchige Feuerpause verkündet. In dieser Zeit müssten alle israelischen Soldaten den Gazastreifen verlassen, hieß es. Trotz des begonnenen Teilabzugs war aber zunächst unklar, ob Israel dieser Forderung nachkommen wird.

Die radikalislamische Hamas hatte zuvor eine einwöchige Waffenruhe für den Gaza-Streifen ausgerufen. Die Nummer zwei des Hamas-Politbüros, Mussa Abu Marsuk, forderte Israel in einer Fernsehansprache zugleich auf, seine Streitkräfte aus dem Palästinensergebiet binnen dieser Frist abzuziehen.

Zuvor sprach ein Sprecher der Organisation Islamischer Dschihad in Gaza von einer Einigung der palästinensischen Gruppen auf eine einwöchige Waffenruhe.

Dies sei das Ergebnis eines Treffens von Palästinenservertretern im syrischen Damaskus, sagte der Sprecher. In diesem Zeitraum der Waffenruhe sollten dann die Grenzen zum Gaza-Streifen geöffnet und humanitäre Hilfe durchgelassen werden, sagte er.

Zugleich seien die Palästinenser offen für Vermittlungsbemühungen Ägyptens, der Türkei, Syriens sowie anderer arabischer Staaten, die zu einem vollständigen Rückzug der israelischen Kräfte aus dem Gaza-Streifen sowie einer dauerhaften Öffnung der Kontrollpunkte führen.

Trotz der hohen Opferzahlen und den Zerstörungen im Gaza-Streifen geriert sich die Hamas als "Sieger". In Flugblättern gratulierte die Führung am Sonntagmorgen den Palästinensern und den Militanten zu einem "ehrenhaften und großen Sieg in diesem Krieg". Israel sei durch den Widerstand gezwungen worden, eine Waffenruhe zu erklären.

Und weil sich die Hamas keine Bedingungen wie bei einer Kapitulation diktieren lassen will, zieht sie Israel jetzt in eine Art Abnutzungskrieg: Militante feuern weiterhin Raketen auf Israel ab, und die israelische Armee schlägt umgehend zurück.

Nach schweren Angriffen der "Ungläubigen" hätten die "Gläubigen" - wie die Hamas die Muslime bezeichnet - einen Sieg errungen, fasst die Hamas auf einem Flugblatt ihre Sicht auf den Ausgang der 22 Tage langen Militäroffensive Israels zusammen. "Hier kommt die gute Nachricht, ein Triumph ist auf uns herabgefallen", heißt es. Es folgt sechsmal der Dank an Gott: "Allahu Akbar" (Gott ist groß).

Während die Propagandamaschine der Hamas schon wenige Stunden nach der einseitigen Erklärung einer Waffenruhe durch Israel auf vollen Touren lief, nahmen viele Einwohner am Sonntag erstmals das ganze Ausmaß der Schäden in Augenschein.

Weil Israel weiterhin Journalisten die Einreise in den Gaza-Streifen verweigert, bleibt nur das Telefon, um von Augenzeugen ein Stimmungsbild vermittelt zu bekommen. Nach allen Berichten sind die 1,5 Millionen im Gaza-Streifen lebenden Palästinenser bei der Bewertung des Ausgangs gespalten. Die eine Hälfte steht wegen der großen Schäden unter "Schock".

Die andere Hälfte fühlt sich als "moralischer Sieger", weil es die israelische Armee nicht geschafft hat, den bewaffneten Widerstand zu brechen. "Der Widerstand hat es geschafft, mit einfachen Waffen stark zu bleiben und die stärkste Armee im Nahen Osten anzugreifen", sagt ein Mann mit Bewunderung.

Ein Augenzeuge berichtete am Sonntag nach einer Fahrt durch die Stadt Gaza, dass alle Polizeistationen und alle Sicherheitseinrichtungen der Hamas zerstört worden sind. Aber die bewaffneten Militanten hätten nach wie vor das Sagen. 16 500 gut ausgebildete Kämpfer hatte die Hamas vor Beginn der israelischen Militäroffensive unter Waffen. Dazu kamen noch einmal 3000 bis 4000 Militante anderer Palästinenserorganisationen.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass mindestens die Hälfte der mehr als 1300 Todesopfer Frauen sowie Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 18 Jahren sind. Aus der Rechnung wird klar, dass es maximal rund 650 getötete Militante geben kann und der übergroße Teil die Militäroffensive überlebt hat.

Obwohl die Hamas-Führer in den Untergrund abgetaucht sind, gab es im Gaza-Streifen weder Anti-Hamas-Demonstrationen oder Aufruhr noch Plünderungen oder andere Akte von Kriminalität. "Hamas hat nach wie vor alle Macht in den Händen", sagt ein Palästinenser. Danach regelt die Hamas das öffentliche Leben aus den Moscheen heraus.

Sogenannte "soziale Komitees" haben die Augen überall in jedem Stadtviertel. Informanten melden alle Auffälligkeiten. Kinder von Hamas-Mitgliedern sind auf Fahrrädern unterwegs und schauen nach dem Rechten. Passiert etwas Außergewöhnliches, sind sofort zehn bärtige Hamas-Kämpfer zur Stelle, die ihre Waffen unter dicken Winterjacken tragen. "Die sind innerhalb von Sekunden da, du weißt überhaupt nicht, wo die so schnell herkommen", sagt der Palästinenser.

Bei Verstößen werde den eigenen Leuten ins Knie geschossen. Israel will nach den Worten des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert die Hamas in keinerlei Vereinbarungen mit anderen Ländern über eine Beilegung der Gewalt einbeziehen.

"Eine Terrororganisation wie Hamas muss und darf nicht Teil davon sein", sagte Olmert. Die Hamas-Führung ist gespalten. Aber die Hardliner, die zur Zeit das Sagen haben, stellten klar: Keine Initiative zur Beilegung der Gewalt wird Erfolg haben, solange darin nicht ein Ende der israelischen Angriffe, der Abzug aller israelischen Soldaten, ein Ende der Blockade und die Öffnung aller Grenzübergänge eingeschlossen ist.

© AFP/dpa/sueddeutsche.de/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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