Krankenkassen:Halbe-halbe ist nicht gleich Gerechtigkeit

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Es gibt gute Gründe dafür, warum Arbeitnehmer derzeit höhere Beiträge für ihre Kasse bezahlen als Arbeitgeber. Wenn die SPD das ändern will, liegt sie daneben.

Von Guido Bohsem

Gerechtigkeit ist leicht zu fordern, für sie zu sorgen deutlich schwerer. Immer wieder neu und immer wieder gerne arbeitet sich die deutsche Sozialdemokratie an dieser Aufgabe ab. Und nicht selten scheitert sie. Einen neuen Anlauf nimmt nun die SPD-Fraktion. Konkret geht es ihr darum, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Zukunft wieder den gleichen Beitrag zur Krankenkasse zahlen sollen. Derzeit zahlen die Beschäftigten den Zusatzbeitrag alleine und damit auch die stetig steigenden Ausgaben für Krankenhäuser, Medikamente, Ärztehonorare und was es sonst noch so alles gibt.

"Ungerecht", urteilen die Sozialdemokraten, und auf den ersten Blick haben sie damit auch recht. Als die SPD-Frau und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt damals diese sogenannte Parität abgeschafft hat, waren die Zeiten andere, argumentieren sie. 2005 galt Deutschland als kranker Mann Europas. Die Arbeitslosigkeit lag bei fünf Millionen, hohe Sozialkosten belasteten die Unternehmen. Die Bundesrepublik sieht nun anders aus. Die Konjunktur läuft rund wie in keinem anderen Land Europas, und Firmen suchen dringend Facharbeiter. Könnte man da nicht den Schritt von damals rückwärts gehen?

Viele Versicherte schert der gestiegene Beitrag kaum

Leider hat die SPD den falschen Punkt im Fokus. Die Forderung nach Parität hat mit Gerechtigkeit wenig zu tun, nicht aus individueller und auch nicht aus gesellschaftlicher Sicht. Obgleich viele Kassen gerade ihre Beiträge angehoben haben (im Durchschnitt steigen sie um 0,2 Prozentpunkte) muss kein Versicherter auch nur einen Cent mehr ausgeben, wenn er das nicht will. Im Gegenteil. Er kann problemlos in eine billigere Kasse wechseln und dort sogar weniger bezahlen als vor drei Jahren, als der aktuelle Zusatzbeitrag noch gar nicht erfunden war. Viele Versicherte nutzen diese Chance, doch zu viele schert der gestiegene Beitrag auch gar nicht. Sie bleiben lieber in ihrer teuren Kasse, als den geringen bürokratischen Aufwand eines Wechsels auf sich zu nehmen. So ungerecht können sie sich also nicht behandelt fühlen.

Auch gesellschaftlich betrachtet, steht die Forderung nach Parität auf wackligen Füßen. Dazu muss man den Blick der SPD auf das Thema nur ein klein wenig weiten und nicht alleine die Beiträge betrachten. Wird ein Arbeitnehmer krank, müssen die Arbeitgeber das Gehalt in den ersten sechs Wochen weiterzahlen. Erst danach springt die Krankenkasse ein und sorgt für einen (deutlich geringeren) Lohnausgleich. Diese Regelung erscheint selbstverständlich, weil es sie bereits so lange gibt. Sie kostet aber deutlich mehr als der Zusatzbeitrag. Wirkliche Parität wäre für die Arbeitnehmer also sehr viel teurer.

Natürlich können Arbeitnehmer und Rentner auf Dauer nicht alleine die steigenden Kosten im Gesundheitssystem über die Zusatzbeiträge tragen. In ein paar Jahren oder bei einem wesentlich dramatischeren Anstieg der Beiträge muss auch wieder über einen höheren Anteil der Arbeitgeber verhandelt werden. Derzeit aber ist es dazu noch viel zu früh.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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