Kosovo:Jubiläum ohne Jubel

Lesezeit: 2 min

Der kosovarische Präsident Hashim Thaçi. (Foto: Visar Kryeziu/AP)

Der jüngste Staat Europas kämpft nach zehn Jahren Unabhängigkeit gegen Korruption, hohe Jugendarbeitslosigkeit und wirtschaftliche Stagnation. Auch ein EU-Beitritt liegt in weiter Ferne.

Von Peter Münch, Wien

Begonnen hat es zuckersüß mit einer rekordverdächtig großen Torte; Freibier und Feuerwerk gab es noch obendrauf. Doch zehn Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos am 17. Februar 2008 ist die damals vorherrschende Freude oft der Bitterkeit gewichen. Der Aufbruch des jüngsten Staates Europas in eine selbstbestimmt Zukunft ist auf offener Strecke stecken geblieben. Die Verantwortung dafür lastet auf vielen Schultern.

Das Beste, was die Kosovaren heute meist zu sagen wissen über ihr Land ist, dass es keinen Krieg mehr gibt. Die in den Kämpfen am Ende der Neunzigerjahre geschlagenen Wunden sind jedoch längst nicht überall verheilt. Damals war der Konflikt zwischen der albanischen Bevölkerungsmehrheit und den serbischen Machthabern in Belgrad eskaliert. Am Ende haben Nato-Truppen die Serben zum Rückzug gezwungen. Bis zur Unabhängigkeit wurde die Region als UN-Protektorat geführt, abgesichert von starken internationalen Truppen. Doch das Augenmerk der Außenwelt wurde bald schon auf andere Brandherde und andere Interventionen gelenkt. Auf den Kosovo-Krieg 1999 folgte der Afghanistan-Einsatz 2001 und der Irak-Krieg 2003.

Im Schatten der neuen Krisenregionen verhärteten sich rund um Kosovo die Fronten. Anerkannt ist der Staat mit seinen zwei Millionen Einwohnern heute von 111 von 200 UN-Mitgliedern. Doch selbst innerhalb der EU, die zu den größten Unterstützern der Regierung in Pristina zählt, gibt es ein geteiltes Bild. Fünf Staaten - Spanien, Griechenland, Rumänien, die Slowakei und Zypern - haben Kosovo nicht anerkannt. Und die Regierung in Belgrad sieht sich nicht nur als Schutzmacht der im Norden verbliebenen serbischen Minderheit von 100 000 Menschen, sondern beharrt darauf, dass das historische Amselfeld mit seinen zahlreichen orthodoxen Klöstern nach wie vor eine serbische Provinz ist. Seit Jahren versucht die EU zu vermitteln, denn die ungelöste Status-Frage gilt als großes Hindernis für den Beitritt Serbiens in die EU, der gerade für 2025 in Aussicht gestellt wurde. Doch bislang sind kaum Fortschritte zu verzeichnen. Als Serbiens Präsident Aleksander Vučić jüngst eine Kompromisssuche ankündigte, brachte er die Nationalisten im eigenen Land inklusive der mächtigen orthodoxen Kirche gegen sich auf.

Ein EU-Beitritt ist auch die Perspektive für Kosovo, doch hier liegt das in weiter Ferne. Als letztem aus der Liste der Beitrittskandidaten wird den Kosovaren bislang nicht einmal die Visumfreiheit gewährt. Die Wirtschaftsentwicklung verläuft schleppend, die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Die Folge: Viele Junge versuchen ihr Glück auf legalem oder illegalem Weg im Ausland. Von ihren Überweisungen in die Heimat leben ganze Großfamilien. Größtes Problem aber bleibt die Korruption, die alle Ebenen des Staates und oft auch die internationalen Organisationen durchzieht.

Hauptgrund dafür sind die Machtstrukturen. Die beherrschende Stellung haben sich die alten Kämpfer der sogenannten Befreiungsarme UÇK gesichert. Regierungschef Ramush Haradinaj stand sogar schon als Angeklagter vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal. Präsident ist heute der Ex-UÇK-Anführer Hashim Thaçi. Als vor zehn Jahren die Unabhängigkeit erklärt wurde, war er schon Premierminister. "Mir ist klar, dass die Menschen Wunder erwarten, doch die wird es nicht geben", sagte er damals. Zumindest damit hat er recht behalten.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: