Kolumbien:Ein Tag ohne Mord

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Ein Papst-Effekt? Franziskus am Freitag in Kolumbiens Hauptstadt. (Foto: L'osservatore Romano/dpa)

Auf seiner Kolumbien-Reise wird dem Papst eine Art Wunder zugeschrieben: In der Hauptstadt soll am Tag seiner Ankunft kein Mord passiert sein. Indes erhofft man sich auch im Nachbarland Venezuela einen Papst-Effekt.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

An dem Tag, als der Papst in Bogotá landete, ist in der kolumbianischen Hauptstadt offenbar niemand ermordet worden. Das ist dort eine Nachricht wert. Bürgermeister Enrique Peñalosa hat die frohe Botschaft persönlich kundgetan und sich dabei explizit bei Franziskus für den mordfreien Tag bedankt. In der Acht-Millionen-Stadt werden durchschnittlich etwa drei Tötungsdelikte pro Tag registriert. Hat der Botschafter des Friedens aus Rom hier also schon ein konkretes Wunder bewirkt? Bogotá befindet sich jedenfalls im Papstfieber und nicht wenige halten es für denkbar, dass dafür sogar die Mörder und Auftragskiller kurzzeitig ihre Arbeit niedergelegt haben. Die Zeitung El Espectador spricht in einem Stück, das keinerlei ironische Zwischentöne enthält, von einem "Papst-Effekt".

Wenn Friedenschaffen so einfach wäre! Dann müsste man Franziskus dringend empfehlen, auch einmal in Venezuela zwischenzulanden, eines der wenigen Länder in Südamerika, das er bislang noch nicht besucht hat oder (laut Plan) in Kürze besuchen wird. Die venezolanische Hauptstadt Caracas gilt als die Stadt mit der höchsten Mordrate der Welt, das ganze Land steckt in einer dramatischen Wirtschafts- und Versorgungskrise, derzeit kann weder von einem Rechtsstaat noch von einer Demokratie die Rede sein. Tausende Venezolaner fliehen täglich über die Grenzen in den Nachbarstaat Kolumbien, Menschenrechtsgruppen warnen vor einer humanitären Katastrophe. Diese kolumbianische Papstreise steht deshalb auch unweigerlich im Zeichen der Lage in Venezuela.

Franziskus traf sich am Donnerstagabend in Bogotá, abseits des Protokolls, auch mit hochrangigen venezolanischen Bischöfen. Teilnehmer berichteten, der Papst habe sich bestürzt gezeigt über den verbreiteten Hunger und den Mangel an Medikamenten in Venezuela. Er habe die venezolanischen Bischöfe ermutigt, dem Volk weiter beizustehen und für die Verteidigung der Menschenrechte einzutreten. Bereits im Luftraum über Venezuela auf der Reise nach Kolumbien ließ er dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro ein Grußtelegramm zukommen. Franziskus soll dabei allerdings auf die üblichen Höflichkeitsfloskeln verzichtet und stattdessen zur Rechtsstaatlichkeit gemahnt haben.

Bereits vor einigen Wochen hatte der Vatikan die Bildung eines Parallelparlaments in Caracas scharf verurteilt. Dem Papst wurde allerdings vorgehalten, dass dieser Schritt viel zu spät gekommen sei. Noch Ende 2016 hatte er Maduro zu einer Privataudienz empfangen und dem damals schon autokratisch herrschenden Präsidenten einen unerwarteten Propagandaerfolg beschert. Für Maduro war das auch eine Art Papst-Effekt.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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