Köln:Dachschaden

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Einst entwarf Stararchitekt Norman Foster die Reichtagskuppel oder die Millennium Bridge in London. Jetzt hat er Wartehäuschen für die Straßenbahn gebaut. Die Fahrgäste sind verärgert.

Von Bernd Dörries

Norman Foster hat ein Glasdach auf den Reichstag gesetzt und die Deutschen wieder mit ihrem Parlament verkuppelt, das eine wechselhafte Geschichte hat. Er hat den Turm der Commerzbank gebaut und die Millennium Bridge in London. Er hat den renommierten Pritzker-Preis bekommen und wurde von der Queen zum Ritter geschlagen. Foster, 80, hat ein Leben geführt, das wenig Hinweise darauf gibt, dass er sich in gehobenem Alter einmal damit beschäftigen würde, Straßenbahnhaltestellen in Köln zu bauen.

Vielleicht ist es aber auch anders herum. Vielleicht konnte sich nur ein so erfahrener Architekt der Aufgabe stellen, die Stadt am Rhein mit neuen Wartehäuschen zu versehen. Noch ist nicht klar, ob Foster die Herausforderung meistern wird. Der Stararchitekt hat in seiner Karriere Architekturkritiker überzeugt, nicht aber die Kölner Bürger. Die sagen nämlich: An den Wartehäuschen kann man nicht warten. Viele neue Unterstände haben keine Sitze mehr. Es gibt keine Seitenwände, die vor Wind und Wetter schützen. Außerdem regnet es durch das Dach hinein. Jetzt werden Stahlplatten angeschweißt, was die Sache nicht schöner macht. "In den vergangenen Tagen haben viele Fahrgäste geklagt", sagt ein Sprecher der Kölner Verkehrsbetriebe. Die Stadt hatte eigens eine Designkommission aus Politik, Verwaltung und Architektur zusammengestellt, die sich nach langen Beratungen für die Häuschen entschied. Dass die nicht wind- und wetterfest sind, hätte man wissen können. "Viel Schick, wenig Schutz", titelte das Hamburger Abendblatt, als die Foster-Büdchen 2011 auch in der Hansestadt auftauchten.

Dass man unter den Wartehäuschen nicht wirklich warten kann, liegt aber nicht nur an Norman Foster. Städte auf der ganzen Welt lassen die Haltestellen von privaten Unternehmen aufstellen. Die zahlen den knappen Kommunen dafür Millionen - allein Hamburg bekommt über 15 Jahre 500 Millionen Euro. Im Gegenzug vermarkten die Unternehmen die Werbeflächen an den Häuschen. Der freie Blick auf Waschmittelwerbung ist dabei im Zweifel wichtiger als der Komfort der Fahrgäste. Es ist ein weltweiter Markt mit Milliardenumsätzen, der von wenigen Unternehmen dominiert wird.

Die Häuschen von Foster stehen mittlerweile auf der ganzen Welt, nicht überall gibt es Beschwerden. Weil es in Ländern wie Usbekistan eher wenig regnet. Und weil anderswo nicht so komplizierte Bauvorschriften einzuhalten sind. In Deutschland wurde der Mindestabstand der Häuschen zur Bahnsteigkante in den vergangenen Jahren erhöht, damit Rollstuhlfahrer und Senioren mehr Platz haben. Genau der Platz fehlt jetzt für die Sitzflächen. Die werden an vielen der 500 neuen Kölner Haltestellen fehlen. Deren Bau wird die Kölner noch einige Zeit beschäftigen, weil alle Ämter mitreden wollen. Das Grünflächenamt schaut, ob eine Wurzel gekappt werden muss. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst sucht nach Bomben, die untere Landschaftsschutzbehörde prüft, ob Vögel gegen Scheiben fliegen könnten, das Tiefbauamt . . . und so weiter. "Jede Haltestelle ist mit so viel Ärger verbunden wie der Bau eines Einfamilienhauses", sagt ein Sprecher der Verkehrsbetriebe. Und am Ende regnet es dann rein.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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