Klimadialog:Frischer Wind in Petersberg

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Seit der Smog in den Großstädten zur ernsten Gesundheitsgefahr wird, nimmt China den Umweltschutz ernster. (Foto: REUTERS)

China und die USA führen in einer wenig schmeichelhaften Disziplin: Sie sind die größten CO₂-Emittenten der Welt. Bislang vereitelten sie auch deshalb beharrlich jeden Weltklimavertrag. Doch nun scheint es ein Umdenken zu geben.

Von Markus Balser, Berlin

Wie man für gutes Klima sorgt? Auf Konferenzen beherrscht Xie Zhenhua die Antwort eloquent: "Ich bin froh, an diesem besonderen Tag in Deutschland zu sein", säuselte Chinas Klimaminister am Montag zum Auftakt der jüngsten internationalen Klimakonferenz in Berlin. "Ich gratuliere zur Fußball-Weltmeisterschaft", sagte Xie. "Auch wenn das wahrscheinlich heute nicht ihr größtes Interesse ist", flüsterte er Deutschlands Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zu.

Am Tag nach dem Endspiel hatte in Berlin der zweitägige Petersberger Klimadialog begonnen. Zum fünften Mal findet das nach dem Debakel der Klimakonferenz von Kopenhagen begründete Forum mit Vertretern aus rund 35 Staaten statt. Ziel ist es, den Weg zu einem globalen Klimavertrag vorzubereiten, den 195 Staaten Ende 2015 in Paris beschließen sollen. Xie und der US-amerikanische Präsidentenberater Todd Stern spielen dabei die zentrale Rolle. Denn beide Länder führen in einer wenig schmeichelhaften Disziplin. Sie sind die größten Kohlendioxid-Emittenten der Welt. Bislang vereitelten sie auch deshalb beharrlich jeden Weltklimavertrag.

Die Angst vor einem endgültigen Scheitern sitzt tief, denn den Diplomaten läuft die Zeit davon

Schon der Auftakt des Petersberger Klimadialogs machte klar: Die Angst vor einem endgültigen Scheitern sitzt tief, denn den Diplomaten läuft die Zeit davon. In einem eindringlichen Appell forderte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zum Auftakt von der Staatengemeinschaft, das Taktieren zu beenden: "Mit der Natur kann man nicht verhandeln. Das Zögern muss aufhören", forderte Hendricks.

Auch wenn Entscheidungen in Berlin noch nicht getroffen werden. Das Forum gilt als wichtiger Gradmesser, ob der große Wurf bis 2015 zum UN-Klimagipfel in Paris gelingt. Ausgerechnet Xie ließ die versammelten Minister und Diplomaten am Montag aufhorchen. "So schnell wir können" wolle sein Land die Treibhausgas-Emissionen senken, erklärte Pekings Chefunterhändler und stellte ein erstes nationales Klimaziel in Aussicht. Er hoffe, im ersten Halbjahr 2015 ankündigen zu können, wie der konkrete Beitrag seines Landes für einen Weltklimavertrag aussehe, sagte Xie und erklärte: Es sei nicht der internationale Druck, der in Peking ein Umdenken bewirke. "Wir sind entschlossen, unsere Umweltprobleme anzugehen." Vor allem seit der Smog in den Großstädten zur ernsten Gesundheitsgefahr geworden ist, nimmt China den Umweltschutz ernster.

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Zuvor hatten bereits die USA eine neue Klimaschutzinitiative verkündet. Mit dem "Clean Power Plan" wollen die Vereinigten Staaten ihren Kohlendioxidausstoß bis 2030 um 30 Prozent senken. Auch wenn das Ziel weniger ehrgeizig ist, als es auf den ersten Blick aussieht, weil das Bezugsjahr 2005 ist und nicht 1990 wie im Kyoto-Protokoll - der Vorstoß etwa für strengere Grenzwerte bei Kohlekraftwerken gilt als wichtiges Signal.

Erklärtes Ziel der Klimadiplomatie ist es, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen. Spätestens bis März 2015 müssen dafür alle Staaten erklären, welche Emissionsziele sie erfüllen wollen. Im September wird dann UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu einem Weltklimagipfel in New York einladen, auf dem jedes einzelne Land seinen Beitrag darlegen soll. Im Dezember treffen sich die Staaten noch einmal in Perus Hauptstadt Lima: Dort sollen die Ankündigungen der Länder so umformuliert werden, dass sie sich untereinander vergleichen lassen. Die intensive Vorbereitung soll verhindern, dass beim abschließenden Gipfel von Paris im November 2015 wie in Kopenhagen vor fünf Jahren ein riesiger Basar eröffnet wird.

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Das Verfahren könnte einen Kurswechsel in der Klimadiplomatie bedeuten: weg von einem Abkommen, das alle Länder zum Klimaschutz verpflichtet, hin zu einem Vertrag, der die freiwilligen Angebote der 195 Staaten der UN-Klimakonvention bündelt. Klar wurde am ersten Tag des Klimadialogs, dass in den nächsten Monaten neuer Streit um die Verteilung der Lasten beim Klimaschutz droht. Sein Land erwarte eine faire Verteilung, kündigte Xie an - etwa über Finanzhilfen und den Transfer von Umwelttechnologie. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist es eine "historische Pflicht", dass die Länder, die den Großteil der Treibhausgase emittiert hätten, nun denen helfen, die wachsen. Bis zu zehn Milliarden US-Dollar sollen daher vor allem die Industriestaaten für einen grünen Klimafonds bis 2020 beisteuern, der den Ökoenergie-Ausbau und strengere Kohlendioxidziele fördern soll. Deutschland werde dafür 750 Millionen Euro zur Verfügung stellen, kündigte Merkel an.

"Ein globales Klimaschutzabkommen scheint nach dem jüngsten Umdenken in den USA und China endlich in greifbarer Nähe", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Jetzt blockiere ausgerechnet Deutschland beim Klimaschutz. Denn der Ruf des einstigen Klima-Vorreiters Deutschland ist angekratzt. Wegen des Booms von Kohlekraftwerken stieg der CO₂-Ausstoß zuletzt das zweite Jahr in Folge an. Auch Kanzlerin Merkel schwant: Bis zum Paris-Protokoll werde es ein "extrem schwieriger Weg".

© SZ vom 15.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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