Klares Votum in Ulm:Käßmann führt die EKD

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Die Evangelische Kirche in Deutschland wird erstmals von einer Frau geführt. Die Synode in Ulm wählte Landesbischöfin Margot Käßmann mit 132 von 142 Stimmen zur Ratsvorsitzenden.

Matthias Drobinski

Sie hat gut geschlafen, am Morgen ist sie die Donau entlanggejoggt. Margot Käßmann erzählt das, locker an einen der leinengedeckten Tische gelehnt, schwarze Haare, schwarzer Blazer, schwarzer Rock, ein Kreuz aus schimmernden Perlen um den Hals. "Wenn die Synodalen wollen, mach ich das", sagt sie, "die Kinder sind groß, der Hund ist alt."

Margot Käßmann ist neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. (Foto: Foto: dpa)

Sie lacht, befreit und herzlich, und wird dann ernst: "Mein Leben wird jetzt anders werden", stellt sie fest. Ein paar Minuten später hat sie die Gewissheit: Mit triumphaler Mehrheit haben sie die Kirchenparlamentarier in den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt, damit wird die Bischöfin von Hannover an diesem Mittwoch zur neuen Ratsvorsitzenden, als erste Frau in der Geschichte der EKD.

Hätte das ein Mann gesagt: Mein Leben wird anders? Und leise Zweifel durchblicken lassen, ob das Amt immer so schön und erfüllend wird? Margot Käßmann, 51 Jahre alt, hat vor ein paar Wochen ein Buch veröffentlicht, das viel von ihr erzählt.

Es handelt von der "Mitte des Lebens", von Frauen um die 50, von gelingenden und scheiternden Partnerschaften, von Kindern, die aus dem Haus gehen, Eltern, die gepflegt werden müssen, von unvollendeten Karrieren und der Menopause. Sie beschreibt darin auch ihre eigenen Grenzen: die Erschöpfung der vierfachen Mutter mit Beruf, die Angst, als sie an Brustkrebs erkrankte, der Schmerz der Scheidung.

Die Synode hat Käßmann gewählt, weil sie ihren Job als Bischöfin der größten Landeskirche seit zehn Jahren ziemlich gut macht, weil sie selbstbewusst öffentlich auftritt und Interviews geben kann. Sie hat sie aber auch gewählt, weil sie authentisch ist, weil sie die Brüche ihres Lebens nicht verschweigt.

Deshalb strömen die Leute zu ihren Gottesdiensten und verlassen auf dem Kirchentag ihre Bibelarbeiten mit Tränen in den Augen. Sie sehen sich mit ihren eigenen Brüchen und Zweifeln angenommen, von einer Frau, die Herzlichkeit verbreitet, die ihr evangelisches Profil nicht intellektuell durchdenkt wie Wolfgang Huber, sondern lebt.

Nicht allen in der evangelischen Kirche gefällt das. Kritiker fürchten, dass die Ökumene mit den Katholiken schwieriger wird, dass Käßmann Interviews nicht mit Huber'scher Selbstkontrolle gibt, dass konservative Christen sich doch an der Scheidung stoßen - und auch, dass die öffentliche, nette Ratsvorsitzende sich irgendwann zur Masche abnutzt.

Margot Käßmann aber hat gelernt, mit der Frage "Schafft die das?" zu leben - als junge Theologin, als Generalsekretärin des Kirchentags, als Bischöfin. Auf der Synode in Ulm hat sie nicht nur ihre Fans überzeugt, dass sie es schaffen kann. Sie hat Stimmen auch von frommen, pietistisch orientierten Synodalen erhalten. Weil es keinen echten Konkurrenten gab - aber auch, weil sie die beste Kandidatin für das Amt war.

Vor der Wahl bekamen die Synodalen einen Bibelspruch mit auf den Weg: "Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen, wem viel anvertraut ist, von dem wird umso mehr gefordert werden." Er war gut ausgesucht für die Frau, die nun das Gesicht des deutschen Protestantismus sein wird.

© SZ vom 28.10.2009/yas - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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