Kiels Ex-OB Susanne Gaschke:Lauter böse Buben

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Da war sie noch im Amt: Susanne Gaschke als Kieler Oberbürgermeisterin Ende September 2013 (Foto: dpa)

Die Journalistin Susanne Gaschke hatte als Kieler Oberbürgermeisterin keine Fortune. Ihr Resümee: An ihr selbst lag es nicht.

Von Ralf Wiegand

Susanne Gaschke könnte diesem Ralf Stegner jetzt sogar glatt dankbar sein. Ja, jenem Ralf Stegner, dem sie in ihrem Buch ein eigenes Unterkapitel mit dem maximal distanzierten Titel "Stegner" widmet und über den sie vollkommen unzweideutig schreibt: "Ich mag ihn nicht."

Es folgen dann fünf Gründe, warum das so ist. Und diesem Menschen, dem sie schon wegen der "Form seiner Mundwinkel" eine "nur mühsam beherrschte Aggressivität" unterstellt (neben einigen anderen Charakterschwächen) - dem soll sie dankbar sein?

Sie hält ihn immerhin für einen der maßgeblichen Strippenzieher in der Geschichte ihres Rücktritts. Frau Gaschke war einmal Redakteurin der Wochenzeitung Die Zeit, bis ihr das "nur dabei" zu wenig wurde und sie fröhlich ins "mittendrin" wechselte, genauer in die Kieler Kommunalpolitik. Gaschke wurde zur Oberbürgermeisterin ihrer Heimatstadt gewählt, am 28. November 2012 vereidigt - und trat am 28. Oktober 2013 zurück.

Wie ein wenig verloren gegangen

Einer der ihrer Meinung nach Schuldigen: Ralf Stegner, schleswig-holsteinischer Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzende der SPD. Er ist eine zentrale Figur in ihrem Buch über all die bösen Buben von der Förde, die schon eine Bande gründen könnten: Torsten Albig, der Ministerpräsident, Andreas Breitner, der (inzwischen zurückgetretene) Innenminister, ein paar sehr seltsame Ratsherren. Und eben Stegner.

Das alles könnte natürlich auch einer Verschwörungstheorie entspringen. Susanne Gaschke hält nämlich sehr viel von sich. Wenn man zusammenfasst, war sie schon als Journalistin fairer, einfühlsamer, aber auch deutlicher und interessanter als andere. Und als Politikerin hielt sie sich für derart unkonventionell, dass sie eine Art Bedrohung für das Establishment darstellte. Sie wollte ja alles verändern am Betrieb, Stil, Sprache, Rituale, Inhalte. Das Imperium schlug also zurück?

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Immer wieder zieht es Seiteneinsteiger in den Politbetrieb. Dort wollen sie alles anders machen. Viele scheitern, weil ihr Selbstbewusstsein größer ist als ihre Kenntnis der Realität. Das Beispiel von Susanne Gaschke, der Kieler Ex-Oberbürgermeisterin und Ein-Frau-Ausgabe der Piratenpartei, zeigt: Zur Politik gehört der Streit um die Sache ebenso wie der Kampf um die Macht.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Das Buch ist sehr unterhaltsam geworden für jeden, der seine Vorurteile über Politiker pflegt. Gaschke beschreibt mit der Genauigkeit der Journalistin, mit der Schärfe der Kommentatorin, aber eben auch mit der ungeheuren Betroffenheit des Opfers ihr Scheitern.

Dass eine so selbstbewusste Frau dabei nicht nur den Glauben an die Politik verlor, sondern angesichts der Berichterstattung über sie selbst auch den Glauben an den Journalismus, tut einem fast leid. In ihren Schlussfolgerungen jedenfalls wirkt sie ein wenig wie verloren gegangen zwischen den Welten "Politik" und "Medien".

Ach ja. Aber zurück zu Stegner: Der Protagonist aus Gaschkes Erzählungen hat der Autorin einen unfreiwilligen Gefallen getan, in dem er das Buch in der FAZ rezensierte, anstatt höflich zu schweigen.

Sie, Gaschke, halte sich selbst "für klüger als alle anderen" und habe ein "ganz trauriges Buch" geschrieben über Selbstgerechtigkeit, Larmoyanz und Hybris, das man mit einem Glas Rotwein lesen solle, "der hoffentlich besser ist als das Buch". Deshalb darf Susanne Gaschke diesem einen ihrer vielen Feinde dankbar sein: Wer so bellt, ist betroffen.

Es ist also wohl doch einiges dran an ihrer Einschätzung der Kieler Verhältnisse.

Susanne Gaschke: Volles Risiko. Was es bedeutet, in die Politik zu gehen. DVA, 2014. 254 S., 19,99 Euro.

© SZ vom 21.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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