Katholiken:Helfer aus Leidenschaft

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Erzbischof Stefan Heße ist Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Vertreter der katholischen Kirche treffen sich zum Flüchtlingsgipfel.

Von Matthias Drobinski, München

Wie die Stimmung ist angesichts des Flüchtlingsdramas im Land? Gut ist sie, sagt Claudia Beck, "es ist schon erstaunlich, wie hoch trotz aller Belastungen über Wochen hinweg die Bereitschaft zum Helfen ist". Claudia Beck ist die Sprecherin des katholischen Caritasverbandes, sie sitzt in Berlin, im Zentrum der Politik. Dort neigt man manchmal dazu, die eigenen Maximen mit der Realität zu verwechseln, gibt sie zu. Um dem entgegenzuwirken hat sie sich in den vergangenen Wochen in Regionalkonferenzen gesetzt, wo die Leute reden, die Flüchtlingsheime leiten, Integrationskurse anbieten, traumatisierte Menschen beraten, Wohnungen verwalten. Sie hat viel herumtelefoniert. Und sagt nun: "Die Leidenschaft und die Empathie der ehren- wie hauptamtlichen Helfer sind kaum zu glauben. Wir müssen aber darauf achten, dass wir unsere Ressourcen erhalten und nicht ausbrennen."

Claudia Beck gehört zu jenen hundert Fachleuten und Machern, die Hamburgs Erzbischof Stefan Heße am Dienstag nach Würzburg geladen hat. Seit Ende September ist Heße der Sonderbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen. Der 49-Jährige, der als Nachwuchshoffnung seiner Kirche gilt, hat seitdem erklärt, dass die Kirchen an der Seite der Flüchtlinge stünden, dass sie gegen Obergrenzen und für eine großzügige Regelung des Familiennachzugs sind. Nun aber geht es ums Konkrete: Wie können ehrenamtliche Helfer unterstützt werden? Wie die verschiedenen Angebote besser koordiniert? Wie darauf reagieren, dass jetzt, wo es kälter wird, dringend Unterkünfte gebraucht werden? Es geht um die vielen kleinen Umsetzungen des großen "Wir schaffen das".

Vier Stunden dauert das Treffen in Würzburg. Es ist nicht öffentlich, doch Teilnehmer berichten von ähnlichen Erfahrungen wie Claudia Beck: Die Helfer sind unverdrossen, viele Hauptamtliche machen freiwillig jede Menge Überstunden, es gibt viel mehr clevere Lösungen und bislang ungedachte Ideen, als noch vor einem halben Jahr vorstellbar gewesen wären. Es gibt Enttäuschungen, aber viel mehr positive Erfahrungen. Insgesamt 200 000 Menschen engagieren sich schätzungsweise alleine im Bereich der großen Kirchen ehrenamtlich für Flüchtlinge.

"Wir brauchen jedoch ein neues Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen", sagt die Caritas-Sprecherin Beck. Die Profis müssten ihren Einsatz begrenzen, wo Freiwillige ihre Arbeit tun, dafür aber diese viel stärker beraten und begleiten, auch bei Enttäuschungen und Missverständnissen: "Manchmal haben Flüchtlinge zu hohe Erwartungen - manchmal gefallen ihnen einfach die Möbel nicht, die Helfer bringen", sagt Beck. Verbesserungsbedürftig sei oft die Koordination zwischen den Organisationen und Hilfsangeboten. Und dann ist da noch die Sorge mancher Mitarbeiter, dass, je länger die Krise dauert, die Menschen am Rand gegeneinander ausgespielt werden und das Geld, das in die Flüchtlingsarbeit fließt, bei der Hilfe für Obdachlose fehlt. Das dürfe nicht passieren, sagt Claudia Beck. Erzbischof Heße hat deshalb zusätzliche Sozialarbeiter gefordert. Die Aufnahme der Flüchtlinge sei die Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Die Kirche habe immerhin 100 Millionen Euro zusätzlich für diese Arbeit zur Verfügung gestellt - eingeschlossen 800 mietfreie Wohnungen.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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