Katalonien:Zweites Ultimatum

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Hat er die Unabhängigkeit ausgerufen oder nicht? Carles Puigdemont hatte bis Montag Zeit, sich zu erklären. Doch er bat erneut um Aufschub. (Foto: Manu Fernandez/AP)

Bis spätestens Donnerstag muss die Regionalregierung in Barcelona klein beigeben, sonst droht die Aufhebung der Autonomie.

Von Thomas Urban, Madrid

Die Hängepartie zwischen Madrid und Barcelona im Konflikt um die politische Zukunft Kataloniens ist am Montag in die nächste Runde gegangen. Die Regierung in Madrid hat dem katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont ein zweites Ultimatum gesetzt. Bis Donnerstagmorgen muss er den eingeleiteten Prozess zur Erlangung der Unabhängigkeit beendet haben. Ein auf Montag angesetztes Ultimatum hatte der katalanische Regionalpräsident verstreichen lassen

Die Regierung von Mariano Rajoy hatte von Puigdemont verlangt, er solle bis Montag, 10 Uhr, klarstellen, ob er in der vergangenen Woche die katalanische Unabhängigkeit ausgerufen oder nur deren Ausrufung angekündigt habe. Puigdemont hatte in einer Rede nebulös erklärt, die "Effekte der Unabhängigkeit" würden ausgesetzt. Die spanische Verfassung verbietet die Sezession einer Region und gibt Madrid das Recht, bei Verfassungsbruch eine Regionalregierung abzusetzen. Anstatt sich zu erklären, bat Puigdemont in einem Schreiben an die Regierung in Madrid am Montag um einen Aufschub von zwei Monaten, der zu bilateralen Verhandlungen über die Zukunft Kataloniens unter internationaler Vermittlung genutzt werden solle.

Spaniens stellvertretende Premierministerin Soraya Sáenz de Santamaría, die als Vertraute Rajoys gilt, wies den Vorschlag zurück. Sie bekräftigte, für Puigdemont gelte ein zweites Ultimatum, das am Donnerstag um sieben Uhr früh ablaufe: Die Regionalregierung müsse bis dahin alle Vorbereitungen für eine Unabhängigkeitserklärung abbrechen und bereits getroffene Entscheidungen, die darauf abzielen, zurücknehmen. Der katalanische Sender TV3 berichtete, Puigdemont wolle auch das zweite Ultimatum ignorieren. Sáenz de Santamaría erklärte, in Madrid gehe man davon aus, dass die "radikalen Kräfte", die mit Puigdemont verbündet seien, an einer Zuspitzung interessiert seien.

Puigdemonts Koalitionspartner wollen die Unabhängigkeit Kataloniens erzwingen

Rajoy schickte seinerseits einen dreiseitigen Brief an Puigdemont, in dem er diesen erneut aufforderte, die Verfassung nicht länger zu brechen, sondern auf den "Weg der Gesetzlichkeit" zurückzukehren. Rajoy stellt darin auch klar, dass aus Artikel 155 der Verfassung, der die Aufhebung der Autonomierechte einer Region vorsieht, keineswegs zwingend die Absetzung von deren Führung hervorgeht. Vertreter der Regierung in Madrid haben wiederholt vorgezogene Regionalwahlen in Katalonien als Ausweg bezeichnet, doch wiesen Puigdemonts Koalitionspartner, die Katalanischen Linksrepublikaner (ERC), dies zurück. Die ERC forderte ihn am Wochenende auf, trotz aller Warnungen von EU und Wirtschaftsverbänden unverzüglich die Unabhängigkeit formal auszurufen. Dasselbe fordert die linke Splitterpartei CUP, die Puigdemonts Regierung ermöglicht.

Die Madrider Presse berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, dass keineswegs an unmittelbare Anwendung des Artikels 155 gedacht sei, falls Puigdemont auch das zweite Ultimatum missachtet. Vielmehr solle sein Kabinett schrittweise entmachtet werden, nicht zuletzt, um Massendemonstrationen oder einem Generalstreik in der Industrieregion vorzubeugen. Das Finanzministerium in Madrid hat die Konten der Regionalregierung weitgehend unter Kontrolle genommen, Kabinettsmitglieder und Spitzenbeamte in Barcelona können ihre Dienstkreditkarten nicht mehr verwenden.

Überdies geht das spanische Innenministerium gegen die Regionalpolizei vor, die Mossos. Am Montag musste deren Kommandeur, Josep Lluís Trapero, erneut vor dem Staatsanwalt erscheinen: Ihm wird die offenkundige Passivität der Mossos zur Last gelegt am 1. Oktober, dem Tag des vom Verfassungsgericht verbotenen Unabhängigkeitsreferendums: Die Mossos sollten gemeinsam mit der nationalen Polizei und der Guardia Civil Wahlurnen und Stimmzettel beschlagnahmen. Doch wurde dieser Auftrag nach Meinung der Staatsanwälte weitgehend ignoriert. Die Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft für Trapero, doch er wurde unter Auflagen nach der Anhörung freigelassen.

Angeordnet wurde aber die Festnahme der Spitzen zweier Organisationen, die sich für die Unabhängigkeit der Region eingesetzt haben.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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