Katalonien:Puigdemont verzichtet

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Der nach Belgien geflüchtete frühere Ministerpräsident Carles Puigdemont erwägt offenbar, auf seinen Posten zu verzichten. Das berichteten spanische Medien am Donnerstag. Als Nachfolger schlägt er einen Aktivisten vor - der im Gefängnis sitzt.

Von Thomas Urban, Madrid

Der abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat am Donnerstag seinen Verzicht auf eine neue Kandidatur für das Amt erklärt. In einer 13-minütigen Videobotschaft führte er zur Begründung an, dass Katalonien möglichst rasch eine handlungsfähige Regierung brauche. Als Kandidaten für seine Nachfolge wolle er den Unabhängigkeitsaktivisten Jordi Sànchez unterstützen. Dieser befindet sich allerdings wegen angeblicher "Rebellion" seit viereinhalb Monaten in Untersuchungshaft; die spanische Justiz hat ausgeschlossen, dass er freikommt, um sich im Parlament zu Barcelona zur Wahl zu stellen.

Die Region steht seit Ende Oktober unter Zwangsverwaltung der Zentralregierung, nachdem Puigdemont ihre Unabhängigkeit proklamiert hatte, obwohl bei den Regionalwahlen nur knapp 48 Prozent der Stimmen auf die Separatisten entfallen waren. Die spanische Verfassung verbietet die Abspaltung einer Region.

Der Verzicht Puigdemonts war seit Tagen erwartet worden. Er hatte zur Kenntnis nehmen müssen, dass es für seine Kandidatur keine Mehrheit im Parlament geben würde. Parlamentspräsident Roger Torrent, der der Republikanischen Linken (ERC) angehört, hatte wiederholt ausgeschlossen, dass Puigdemont von seinem Exil im belgischen Waterloo aus die neue katalanische Regierung führen könnte. Jordi Sànchez, bislang Führer der Katalanischen Nationalversammlung, des Dachverbandes der Verfechter der Unabhängigkeit, war bereits Anfang der Woche ins Gespräch gebracht worden.

Zwar wird es nach dem Stand der Dinge kaum zur Wahl Sànchez' kommen, weil die spanische Justiz dies blockieren würde. Doch herrscht unter den separatistischen Parteien Einigkeit darüber, dass mit seiner möglichen Kandidatur ein Zeichen gegen die bisherigen rigorosen Strafverfahren gegen katalanische Aktivisten gesetzt werden solle. 120 spanische Rechtsprofessoren haben in einem offenen Brief scharfe Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft geübt: Der Tatbestand der Rebellion sei auf keinen Fall gegeben, da dieser gewaltsame Aktionen voraussetze, zu denen es aber vonseiten der Separatisten nicht gekommen sei. Parlamentspräsident Torrent selbst hat die Freilassung der Gefangenen als Priorität bezeichnet; doch vermeidet er jede Aussage über die katalanische Unabhängigkeit. Er wird dem Lager der "Realisten" zugerechnet, die dafür derzeit keine Möglichkeit sehen.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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