Die Kugel traf den Mann in den Kopf - und zugleich traf sie ein ganzes Land ins Herz. Ahmed Wali Karsai, der ermordete Halbbruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, war sicher kein Unschuldiger. Zu detailliert sind die Hinweise darauf, dass der Mann mehrere Wahlen gefälscht hat und in den Handel mit Waffen und Drogen involviert war. Doch zielte der Mord auf einen der wichtigsten Politiker Afghanistans - und das verändert das Land zum Schlechteren.
Wichtig war Wali Karsai wegen seiner Kontakte. Er arbeitete eng mit den Amerikanern zusammen und verschaffte ihnen Informationen, an die westliche Vertreter sonst nur schwer herankommen. Vor allem aber half er seinem Bruder in Kabul, dem Präsidenten. Als dessen engster politischer Partner dirigierte er den Süden des Landes, wo die aufständischen Taliban besonders einflussreich sind. So umstritten diese afghanische Familienbande auch war, so gefährlich ist nun ihr abruptes Ende. Denn nichts braucht das kriegsgeplagte Land so sehr wie Stabilität, und durch nichts ist diese Stabilität so gefährdet wie durch politische Morde und das darauffolgende Machtvakuum.
Zugleich offenbart dieser Anschlag jedoch ein tieferes Problem Afghanistans. Ahmed Wali Karsai wird schwer zu ersetzen sein, denn seine Macht beruhte nicht auf seinem Amt als Vorsitzender des Provinzrates von Kandahar. Sie basierte auf persönlichen Netzwerken und Abhängigkeiten, die Afghanistans Politik seit langem bestimmen. Daher ist der einzige Weg, um das Land von politischer Erpressung unabhängiger zu machen, eine Stärkung seiner Institutionen. Nur so kann das Herz des Landes eines Tages wieder geregelt schlagen.