Nach der Tötung von Osama bin Laden rechnen die deutschen Sicherheitsbehörden mit Reaktionen radikaler Islamisten. "Al-Qaida wird jetzt beweisen wollen, dass es als Netzwerk weiter funktioniert", sagte Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), der Welt am Sonntag. Möglicherweise könnten Anschlagspläne, die seit langem in der Schublade liegen, jetzt vorgezogen werden.
"Wir haben unsere Sensoren ausgefahren", sagte Ziercke. "Die Sicherheitsbehörden haben an vereinzelten Brennpunkten die Sicherheitsmaßnahmen erhöht und die Überwachung der Gefährder verstärkt." Über laufende Ermittlungsverfahren habe man einen guten Einblick in die Szene und bekomme mit, "wenn das berühmte Grundrauschen lauter werden sollte". In den nächsten 14 Tagen werde man wissen, wie es weitergeht, sagte Ziercke.
Mögliche Attentate erwartet der BKA-Chef am ehesten in Pakistan. "Im Übrigen dürfen wir nicht vergessen, dass Deutschland seit geraumer Zeit Teil eines weltweiten Gefahrenraums ist." Nach Erkenntnissen des BKA wachse die Zahl der Personen mit einem Bezug zu Deutschland, die in Ausbildungslagern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet eine terroristische Ausbildung erhalten hätten. "Uns liegen Informationen zu rund 250 Personen vor, die seit Beginn der neunziger Jahre eine paramilitärische Ausbildung erhalten haben sollen oder eine solche beabsichtigen", sagte Ziercke.
Aktuell existierten zu rund 70 dieser Personen konkrete Hinweise, die für eine absolvierte Ausbildung in einem Terrorcamp sprechen würden. Die Zahl der Gefährder bezifferte Ziercke auf 130.