Kabinett: Streit um Stiftungsrat:Hypothek Steinbach

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Der Streit um die Berufung von Erika Steinbach in den Vertriebenen-Stiftungsrat eskaliert. Für Westerwelle und Steinbach ist die Causa ein Geschenk. Nur die Kanzlerin hat ein Problem.

Daniel Brössler

Gäbe es eine Liste aller von der Bundesregierung zu vergebenden Posten, müsste dort auch auftauchen: Mitglied des Stiftungsrates der unselbständigen "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Würde diese Liste obendrein nach Bedeutung sortiert, stünde das bei allem Respekt - ziemlich weit unten.

Erika Steinbach und Angela Merkel (r.): Den Ausweg aus der Causa Steinbach weist letztlich nur Merkels alte Devise: Keine Entscheidung ist eine weise Entscheidung. (Foto: Foto: AP)

Von dieser Warte aus betrachtet ist der Streit über den Anspruch der Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach auf das Ehrenamt unverständlich. Es ist mit keinerlei Macht verbunden und nur mit bescheidenem Prestige. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach wäre eines von insgesamt 13 Ratsmitgliedern und auch nur eines von dreien, die vom Bund der Vertriebenen (BdV) in das Gremium zu entsenden sind. Wie aus der Personalie ein Koalitionskrach zwischen Union und FDP erwachsen konnte, wird nur durch die Vorgeschichte verständlich.

Sie handelt vom Kampf der Erika Steinbach für ein Zentrum gegen Vertreibungen. Viele Jahre lang hat sich die CDU-Politikerin eingesetzt für einen Ort, der dem Leiden der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Polen, der Tschechoslowakei und anderen Ländern vertriebenen Deutschen gewidmet ist. Die Erinnerung an deren Schicksal sollte einen Platz in Berlin bekommen.

Auf Titelbildern in Bildmontagen mit Nazi-Uniform

Vor allem in Polen löste das die Befürchtung aus, die Nachkommen der Täter wollten mehr als 60 Jahre nach dem Krieg die Geschichte umdeuten und sich der Welt als Opfer präsentieren. Mit der Gründung der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums ist es gelungen, diese Ängste größtenteils zu zerstreuen. Geblieben aber sind in Polen die Vorbehalte gegen Erika Steinbach.

Die polnische Öffentlichkeit kennt Steinbach nur als Karikatur einer deutschen Vertriebenen. Sie wurde auf Titelbildern in Bildmontagen mit Nazi-Uniform verunglimpft und von führenden Politikern des Landes heftig beschimpft. Auch dies hat eine Vorgeschichte. Unverziehen ist in Polen, dass Steinbach im Bundestag nicht für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze stimmen mochte.

Unvergessen ist auch der drohende Unterton, mit dem Steinbach in den neunziger Jahren über den EU-Kandidaten Polen sprach. Die Abneigung reicht allerdings noch tiefer. Zur Welt gekommen ist Steinbach 1943 als Tochter eines aus Hanau stammenden Soldaten der Wehrmacht im besetzten Polen. Aus polnischer Sicht bleibt unbegreiflich, dass ausgerechnet eine Persönlichkeit mit dieser Familiengeschichte für die deutschen Vertriebenen spricht. Wem an Versöhnung gelegen ist, sollte Verständnis für dieses Befremden aufbringen.

Erika Steinbach hat des Öfteren die Vermutung geäußert, deutsche Sozialdemokraten hätten die Kampagne im Nachbarland überhaupt erst ins Rollen gebracht. Sie erweckte den Eindruck, sie habe kein Problem mit Polen, sondern nur mit der SPD. Nach dieser Darstellung müsste seit der Bundestagswahl der Weg frei sein für Steinbach, den demonstrativ frei gehaltenen Sitz im Stiftungsrat einzunehmen. Der BdV deklarierte den Fall Steinbach zum "Testfall für das Demokratie- und Freiheitsverständnis" der FDP, was der neue Außenminister Guido Westerwelle als Unverschämtheit auffassen muss. Hatten Steinbach und der Vertriebenenbund den Widerstand der SPD noch gelten lassen, nehmen sie den neuen Koalitionspartner und seine Bedenken offenbar nicht für voll.

Westerwelle stellt sich dem Streit

Westerwelle stellt sich diesem Streit und er tut gut daran. Nach elf Jahren in der Opposition ist die außenpolitische Marke FDP verblasst. Die Partner in Europa haben mitbekommen, dass die Partei sich verändert hat und nehmen nicht selbstverständlich an, dass im Auswärtigen Amt nun wieder der Geist Hans-Dietrich Genschers weht. Manche haben vielleicht ihre Archive bemüht und sind dabei auf Namen gestoßen wie Siegfried Zoglmann.

Als FDP-Bundestagsabgeordneter hatte der einstige SS-Mann und Sudetendeutsche gegen die Ostpolitik Willy Brandts polemisiert und schließlich aus Protest gegen die sozial-liberale Politik die Partei verlassen. Das nationalistische Virus hat die FDP seitdem erfolgreich bekämpft. Wenn sie nun gelegentlich zeigt, dass die Abwehrkräfte noch funktionieren, kann das aber nicht schaden. Die Causa Steinbach ist für Westerwelle so gesehen ein Geschenk. Sehr früh in seiner Ministerschaft gibt sie ihm Gelegenheit, praktisch zu demonstrieren, was er unter liberaler Außenpolitik versteht.

Auch für Erika Steinbach ist das Wiederaufflammen des Personalstreits nützlich. Sie gewinnt in jedem Fall an Statur - entweder als erfolgreiche Streiterin für die Sache der Vertriebenen oder zumindest in der Märtyrerrolle als Opfer einer vermeintlichen Kampagne. Verlieren kann eigentlich nur eine: Kanzlerin Angela Merkel. Ergreift sie Partei für Steinbach, belastet dies ihr Verhältnis zu Westerwelle und vergiftet jenes zu Polens Ministerpräsidenten Donald Tusk. Erteilt sie Steinbach eine Abfuhr, ist ihr Ärger mit der CSU und Teilen der CDU gewiss. Den Ausweg weist letztlich nur Merkels alte Devise: Keine Entscheidung ist eine weise Entscheidung. Das aber würde Einsicht Steinbachs erfordern. Wenn schon nicht Polen, so doch wenigstens Merkel könnte sie diesen Gefallen tun.

© SZ vom 17.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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