Julian Assange:Der Freiheit ein Stück näher

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Schweden stellt seine Ermittlungen gegen Assange ein. Aus seinem Botschaftsasyl traut er sich trotzdem nicht heraus.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Sie gibt auf, weil ihr nach fast sieben Jahren nichts anderes übrig bleibt: Marianne Ny beendet die Ermittlung gegen Julian Assange. Damit zieht die Oberste Staatsanwältin in Stockholm auch den europäischen Haftbefehl gegen Assange zurück. Die Schwedin begründete ihre Entscheidung damit, dass alle ihre Mittel ausgeschöpft seien. Eine Aussage über Schuld oder Unschuld treffe sie damit jedoch nicht, betonte Ny.

Der Fall Assange zieht sich seit 2010. Damals war der Australier und Wikileaks-Gründer verdächtigt worden, zwei Schwedinnen sexuell belästigt und eine von ihnen vergewaltigt zu haben. Assange hat die Vorwürfe stets bestritten, ganz vom Tisch sind sie immer noch nicht: Sollte der 45-Jährige freiwillig nach Schweden kommen, bevor der letzte Vorwurf 2020 verjährt, könnte die Untersuchung wiederaufgenommen werden. Die Anwältin des mutmaßlichen Opfers sagte, es sei ein Skandal, auf welche Weise sich Assange der Justiz entzogen habe. Ihre Mandantin bleibe bei ihrem Vergewaltigungsvorwurf. Assange twitterte: Jahrelang sei er nun ohne Anklage festgehalten worden. "Ich vergebe und vergesse nicht." Später sagte er in einer Rede vom Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London: "Es ist ein wichtiger Sieg für mich und für das UN-Menschenrechtssystem." Aber damit sei sein Kampf gegen die Justiz noch nicht ausgestanden. "Der richtige Krieg fängt gerade erst an." Assange muss zumindest nicht mehr befürchten, nach Schweden ausgeliefert zu werden. Seit 2012 sitzt er in der ecuadorianischen Botschaft in London, damit die britische Polizei ihn nicht verhaften und nach Stockholm ausliefern kann. Ob er seinen beengten Unterschlupf nun verlassen wird, ist fraglich. Ecuador fordert freies Geleit: Das Vereinigte Königreich müsse Assange nun eine sichere Passage garantieren, sagte Ecuadors Außenminister Guillaume Long. Wenn Großbritannien dies gewähre, sei Assange in Ecuador willkommen. Die britische Polizei dagegen teilte mit, dass sie Assange weiter festnehmen möchte, wenn auch nicht wegen der schwedischen Vergewaltigungsvorwürfe. Assange werde immer noch wegen eines "viel weniger schweren" Delikts gesucht, teilte Scotland Yard nur mit. Möglicherweise geht es dabei um den Verstoß gegen Kautionsauflagen. Für Assange könnte das Grund genug sein, in der Botschaft zu bleiben - den Briten traut er offenbar genauso wenig wie den Schweden. "Großbritannien weigert sich zu bestätigen oder zu dementieren, ob es bereits einen US-Auslieferungsantrag für Julian Assange erhalten hat", twitterte Assange. "Der Fokus verlagert sich jetzt auf das Vereinigte Königreich." Das war auch immer Assanges Begründung gewesen, wenn es um Schweden ging: Er würde sich gerne den Fragen der Ermittler stellen. Doch nach Stockholm könne er nicht kommen, weil die Schweden ihn womöglich an die USA ausliefern würden. Assange ist dort in Ungnade gefallen, nachdem Wikileaks geheimes Material zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak veröffentlicht hatte. Das US-Justizministerium hat erst im April erklärt, dass es ein Verfahren gegen Assange und Wikileaks erwäge. Sechs Jahre haben schwedische Staatsanwälte gewartet, Assange zu befragen. Lange hatte sich Marianne Ny geweigert, ihn in London zu treffen. Eine Befragung außerhalb Schwedens habe wenig Wert, weil sie dann nicht die nötigen Mittel zu Verfügung habe. 2015 verjährten die ersten Vorwürfe; Schwedens Oberster Gerichtshof mahnte, den Fall voranzubringen.

Im Frühjahr 2015 bat Ny dann Ecuador um Erlaubnis, Assange in der Botschaft befragen zu dürfen. Ecuador und Schweden verhandelten über ein bilaterales Abkommen zur gegenseitigen Rechtshilfe. Erst im November 2016 war man sich einig, wie das Gespräch mit Assange ablaufen sollte: Das führte schließlich ein ecuadorianischer Staatsanwalt, die Schweden durften nur zuhören. Ein Protokoll wurde geschrieben, vom Englischen ins Spanische und Schwedische übersetzt. Gebracht hat es offenbar nichts. "Wir haben die Entscheidung, die Ermittlungen nicht weiterzuführen, nicht getroffen, weil wir alle Beweise in diesem Fall ausgewertet haben", sagte Ny, "sondern weil wir keine Möglichkeiten sehen, die Ermittlungen weiter voranzubringen."

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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