Japan:Meine Presseschau

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: Bernd Schifferdecker)

Ein Blick in die Presse der Insel-Republik zeigt: Eigene Meinungen zu haben ist in Japan keine Tugend, abweichende Meinung noch weniger. Die behalten Japaner lieber für sich. Das wirkt sich auch auf die Zeitungen aus.

Ausgewählt von Christoph Neidhart

Eigene Meinungen zu haben ist in Japan keine Tugend, abweichende Meinung noch weniger. Die behalten Japaner lieber für sich. Das wirkt sich auch auf die Zeitungen aus. Die Redaktionen brauchen lange, sich auf eine Meinung zu einigen und bleiben trotzdem vage. Oft sichern sie sich mit Sowohl-als-auch-Sätzen ab, verklausulieren ihre Stellungnahmen oder halten sich an die Formulierungen der Regierung.

Die Regionalzeitung Tokushima Shimbun zum Beispiel verlangte am Freitag, die G 7 sollte "hochqualitative Infrastrukturinvestitonen" in Asien und Afrika fördern. Das sagt auch Premier Shinzo Abe und Tokio macht das in Ländern wie Vietnam und Indonesien seit Jahrzehnten. Allerdings ist das Adjektiv "hochqualitativ" erst dieses Jahr zum Begriff "Infrastrukturinvestitionen" gekommen: Peking hatte eine eigene internationale Infrastrukturbank gegründet und Japan in Indonesien den Auftrag für eine Hochgeschwindigkeitsbahnlinie weggeschnappt. Somit bedeutet "hochqualitativ": bitte japanische Projekte fördern, keine chinesischen.

Kritik an einem Großanlass der Regierung, mit dem sich Japan der Welt präsentiert, kann man hier nur von wenigen Medien erwarten, erst recht angesichts der nahezu perfekten Organisation mit Premier Abe als gewandtem, gut gelauntem Gastgeber. Die linksliberale Tageszeitung Asahi fragte immerhin "Sind die G-7-Leader noch in der Lage, die Welt besser zu machen?" In ihrer Antwort beschränkt sie sich dann aber auf Allgemeinplätze: "Die G 7 sollte sich strikt an ihre Agenda halten und plausible Pläne vorstellen, mit denen sie finanziert werden können". Nach der Veröffentlichung der Panama Papers müsste "die G 7 das Problem der Steuerparadiese angehen", verlangt das Blatt. Diese verweise in ihrem Schlusserklärung jedoch nur auf die G 20.

Die Hauptstadtzeitung Tokyo Shimbun, die nicht zu den Leitmedien zählt und deshalb etwas frecher ist, schreibt über die zusätzlichen Konjunkturmaßnahmen, die Abe von den G-7-Partnern verlangte, aber nicht erhielt: "Es ist lächerlich, wenn das Land mit dem größten Haushaltsdefizit der Welt und einer Trillion Yen (8,1 Billionen Euro) Staatsschulden nach zusätzlichen Fiskalmaßnahmen ruft." Das Blatt verweist Abe auf den Grundsatz Deutschlands, "Konjunktur durch Finanzmaßnahmen sollten temporär sein und keine Last für künftige Generationen."

Nur die englischsprachige Japan Times und Akahata, die "Rote Fahne" der Kommunisten, haben sich am Besuch der G-7-Leader am Ise-Schrein gestört, von dem Akahata sagt: "Er ist zusammen mit dem Yasukuni-Schrein ein geistiger Pfeiler, auf den sich der japanische Militarismus stützte. Schon die jährlichen Besuche dieses Schreins von Premier Shinzo Abe sind aus Sicht der Trennung von Religion und Staat ein Problem." Zudem "hat der Hohepriester des Schreins als Berater am Entwurf einer Verfassungsänderung durch rechtsnationale Organisationen mitgewirkt."

In der Frage, die alle Meinungsseiten der großen Zeitungen am Freitag dominierte, mussten sich Japans Journalisten hingegen keine Zurückhaltung auferlegen. Premier Abe hatte sich am Mittwochabend bitter bei Präsident Barack Obama über einen Sexualmord an einer jungen Japanerin durch einen Zivilangehörigen des US-Militärs auf Okinawa beklagt. "Die Worte 'Protest' und 'bedauerlich' genügen nicht mehr", kommentierte dies die Hokkaido Shimbun. "Die Wut erfasst das ganze Land. Dafür tragen beide Regierungen Verantwortung." Das Abkommen über die Stationierung der US-Truppen müsse angepasst werden, so die Zeitung.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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