Japan:Der Premier und seine Jeanne d'Arc

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Die neue Ministerin Tomomi Inada trägt Brille aus Patriotismus. (Foto: Kim Kyung-Hoon)

Japans Regierungschef gönnt sich neue Ministerinnen und Minister. Besonders eine von ihnen dürfte in Peking und Seoul für Unmut sorgen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Als Anwältin hat Tomomi Inada die "Ehre" verurteilter japanischer Kriegsverbrecher wiederherzustellen versucht. Als Funktionärin der regierenden Liberaldemokraten (LDP) leugnete sie Japans Gräuel im Zweiten Weltkrieg. Tokio müsse aufhören, sich ständig zu entschuldigen. Inada pilgert regelmäßig zum Yasukuni-Schrein, mit dem Japan seine Gefallenen und auch seine Kriegsverbrecher ehrt. Voriges Jahr hielt die nationalistische Politikerin am "Center for Strategic and International Studies" in Washington einen Vortrag über den Kurs der japanischen Regierung; dabei erzählte sie, dass sie mehr als 70 Brillen besitze, obwohl sie keine Sehhilfe bräuchte. Sie trage sie als Mode-Accessoire, weil sie in ihrer Heimatpräfektur Fukui hergestellt würden.

Am Mittwoch hat Premier Shinzo Abe die umstrittene 57-Jährige, die er schon "meine Jeanne d'Arc" genannt haben soll, zur Verteidigungsministerin gemacht. Ihre Ernennung gilt als Zeichen dafür, dass Abe sie zu einer möglichen Nachfolgerin aufbauen will.

Tomomi Inada ist die wichtigste Neubesetzung, die Abe bei seiner jüngsten Kabinettsumbildung vorgenommen hat. In den meisten anderen Schlüsselministerien hat er die bisherigen Amtsinhaber bestätigt. Taro Aso bleibt Vize-Premier und Finanzminister, Sanae Takaichi Innenministerin, Yoshihide Suga erster Kabinettssekretär und damit Manager und Sprecher der Regierung. Auch Außenminister Fumio Kishida, ein anderer möglicher Nachfolger Abes, behält sein Amt. Obwohl der Premier stets betont, er wolle Frauen fördern, ist Inada eine von nur drei Frauen im 19-köpfigen neuen Kabinett.

Regionenminister Shigeru Ishiba, Abes gefährlichster Rivale in der Partei, schied auf eigenen Wunsch aus der Regierung aus. Damit distanziert er sich vom Premier, um sich für eine eigene Kandidatur auf das oberste Regierungsamt in Position zu bringen. Er wird von Kozo Yamamoto abgelöst, der fordert, die bisher unabhängige Notenbank müsse der Regierung unterstellt werden und das hohe Staatsdefizit direkt mit der Druckerpresse beheben.

Mit der Kabinettsumbildung wolle er vor allem Abenomics stärken, sein Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft, behauptet der Premier. Obwohl zwei Drittel aller Japaner Umfragen zufolge auch nach drei Jahren nichts von einem Wirtschaftsaufschwung spüren und auch nicht mehr an Abenomics glauben, hat Abe an Wirtschaftsminister Nobuteru Ishihara festgehalten.

Was die neue Verteidigungsministerin betrifft, dürften Peking und Seoul die Ernennung Inadas als Affront verstehen. Die Politikerin leugnet die Versklavung koreanischer Frauen in japanischen Kriegsbordellen und verurteilt die diesbezügliche Kritik an Japan als "Verstoß gegen die Menschenrechte japanischer Kinder im Ausland". Wenn Japan solche Verbrechen vorgeworfen würden, so Inada, könnten japanischstämmige Schulkinder etwa in den USA diskriminiert werden.

Die Neuorganisation der Parteispitze, die Abe parallel zur Kabinettsumbildung vollzogen hat, dürfte in Peking dagegen begrüßt werden. Zu seinem neuen Generalsekretär hat Abe Toshihiro Nikai ernannt, einen Politiker aus der Zeit, als die LDP Japan wie ihr privates Lehen regierte. Der 77-jährige Nikai ist in Peking bestens vernetzt. Als die Beziehungen zwischen Tokio und Peking auf dem Gefrierpunkt waren, reiste er mit einer großen Delegation von Geschäftsleuten nach China, um die Wogen zu glätten. Dass die beiden Regierungen zurzeit unterkühlt, aber sachlich verhandeln können, verdankt Abe vor allem Nikai. Den Zuschlag dürfte der alte Pragmatiker allerdings eher erhalten haben, weil er sich gegen die parteiinterne Amtszeitbeschränkung einsetzt, damit Abe länger als bis im Herbst 2018 Premier bleiben darf.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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