Israel in der Isolation:Dankesworte statt Dampfhammer

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Israel reagiert ungewöhnlich zurückhaltend auf die Vertreibung seines Botschafters aus Ägypten - denn das Land ist immer stärker isoliert. Premier Netanjahu zeigt sich außergewöhnlich konziliant und findet warme Dankesworte. Doch die beweisen nur, wie dringlich er einen Rettungsanker sucht.

Peter Münch, Tel Aviv

Selten hat man Israels Premierminister Benjamin Netanjahu so konziliant erlebt und noch seltener seinen Außenminister Avigdor Lieberman so kleinlaut. Der Kairoer Botschaftssturm ist der israelischen Führung heftig in die Glieder gefahren, und angesichts eines "politischen Erdbebens von historischer Dimension" hat Israels Regierungschef nun "Ruhe und Verantwortung" als Maxime seiner Politik ausgegeben.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht sich der immer stärkeren Isolation seines Landes ausgesetzt. (Foto: dpa)

Reichlich spät kommt das allerdings, denn schon seit längerem ist zu spüren, dass nahezu alle Pfeiler wanken, auf denen Israels Sicherheit ruht: Ägypten wendet sich ab, Jordanien brodelt, die Türkei ist vom Freund zum erbitterten Kontrahenten geworden. Überdies sind auch die Beziehungen zu den USA und den europäischen Staaten von manchem Streit belastet. Israel gerät zunehmend in die Isolation - und dies in einer Zeit, in der es angesichts der palästinensischen UN-Offensive dringend Partner bräuchte.

Gewiss hat Israel seine bedrohliche Lage nicht nur selbst verschuldet. Der arabische Frühling spült neben den neuen Hoffnungen auf Demokratie auch die alten Ressentiments wieder hoch. Der jüdische Staat dient in der arabischen Welt seit jeher als perfekte Projektionsfläche, um von eigenen Versäumnissen und Fehlern abzulenken. Auf den Straßen von Kairo über Amman bis nach Tunis wird man kaum jemanden finden, der nicht allzu gern Israel für jedes Übel auf der Welt verantwortlich macht. Genau damit spielt nun auch der türkische Premierminister Recep Tayyib Erdogan, der die alte strategische Partnerschaft zu Israel auf dem Altar des Populismus opfert.

All dies könnte jedoch kaum so gefährlich werden, wenn nicht die Regierung in Jerusalem mutwillig solch eine Vielzahl von Angriffsflächen bieten würde. In den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit hat es Netanjahu geschafft, den Friedensprozess mit den Palästinensern unter seinen Siedlungsbauten im Westjordanland zu begraben. Übertrumpft wird er dabei noch von seinem Außenminister, der Freund und Feind mit dem diplomatischen Dampfhammer traktiert. Bestes Beispiel waren die Drohgebärden in Richtung Ankara, mit denen er auf Erdogans Attacken antwortete. Lieberman, der aus Moldawien stammt und mit den Stimmen der russischen Immigranten ins Amt getragen wurde, betreibt seine Außenpolitik nach alt-sowjetischer Art. Damit allerdings kann man viel Schaden anrichten, wenn man keine Weltmacht vertritt, sondern lediglich einen Staat mit 7,7 Millionen Einwohnern.

Die wirkliche Großmacht, die Amerikaner also, zeigen sich ebenso wie die Europäer immer wieder verstört von der israelischen Politik. Das Verhältnis des US-Präsidenten zum Jerusalemer Premier wird allein noch von Barack Obamas innenpolitischen Interessen gekittet, und der jüngst aus dem Amt geschiedene US-Verteidigungsminister Robert Gates machte gerade Schlagzeilen, weil er Netanjahu als "undankbar" und als "Gefahr für Israel" bezeichnet haben soll.

Nach den dramatischen Vorfällen in Kairo zeigt sich Netanjahu nun zumindest verbal von seiner weichen Seite. Statt Schuldzuweisungen schickte er Dankesworte in Richtung Ägypten - für die Soldaten, die nach fast zwölf Stunden Belagerung sechs israelische Wachleute aus der Botschaft retteten, und für den Informationsminister, der den Angriff der Meute verurteilte. Der Premier betonte, wie wichtig der 1979 geschlossenen Frieden mit Ägypten "im Interesse beider Staaten" sei, und er versprach, den ausgeflogenen Botschafter baldmöglichst nach Kairo zurückzuschicken.

Noch mehr Lob bekam Obama, weil er sich persönlich in der Kairoer Chaosnacht um eine Lösung bemüht habe. "Dies beweist, wie stark die Allianz zwischen Israel und den Vereinigten Staaten ist", sagte Netanjahu. Viel mehr noch aber beweisen all die Dankesworte, wie dringlich der Regierungschef einen Rettungsanker sucht. Wie viele Freunde Israel schon verloren hat, könnte sich sehr bald bei den Vereinten Nationen zeigen, wenn die Palästinenser die Anerkennung ihres eigenen Staates zur Abstimmung stellen.

© SZ vom 12.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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