Islamfeindlichkeit beim Verfassungsschutz:Schuld hat "der Muselmann"

Lesezeit: 2 min

Abfällige Äußerungen, fragwürdige Personalentscheidungen: Eine Woche nach dem Bekanntwerden islamfeindlicher Vorfälle im Verfassungsschutz kommen immer neue Details ans Licht. Das Bundesamt beteuert, es sei damals konsequent durchgegriffen worden. Doch in der Behörde gärt es weiter.

Von Tanjev Schultz

Es rumort im Bundesamt für Verfassungsschutz, nachdem in der vergangenen Woche islamfeindliche Vorfälle aus früheren Jahren öffentlich geworden sind. Nicht nur die Frage, ob und wo da ein Leck in der auf Geheimhaltung spezialisierten Behörde mit Hauptsitz in Köln sein könnte, treibt die Verfassungsschützer um. Den internen Konflikt hielten viele für längst gelöst - das aber war offenbar ein Trugschluss. Es gibt im Amt weiterhin Groll und Unmut.

Und es werden nun weitere Details zu den Vorgängen aus dem Jahr 2009 und davor bekannt: So soll ein Beamter an einen Kollegen, der Wurzeln in einem islamisch geprägten Land hat, eine SMS mit islamfeindlichen Inhalten geschickt haben. Darin soll es um Bombenbauer und um Männer gehen, die Frauen bedrohen - und die Schuld an all den Verbrechen habe "der Muselmann".

Ein anderer Mitarbeiter soll sich einmal abfällig über eine Unterkunft geäußert und sinngemäß gesagt haben, es sehe dort aus wie in einem Asylbewerberheim. Derselbe Verfassungsschützer, der später wegen seiner Sprüche offenbar abgemahnt worden ist, soll zu dem Migranten-Kollegen gesagt haben, wenn es noch mehr Leute wie diesen in der Behörde gäbe, bleibe nur die Pistole aus dem Schrank.

Wie berichtet, sollen damals auch über einen längeren Zeitraum hinweg Beleidigungen wie "Ölauge" und "Muselmann" gefallen und die Deutschen als "Herrenrasse" bezeichnet worden sein. Ein Beamter hatte eine Kreuzritter-Spielfigur in seinem Büro so postiert, dass ihr Schwert auf eine Moschee gerichtet war. Bei den internen Ermittlungen war von einigen Beamten offenbar darauf verwiesen worden, dass insgesamt ein lockerer Ton in der Islamismus-Abteilung geherrscht hätte, in der die Vorfälle sich ereigneten.

Eines der mutmaßlichen Opfer wechselte offenbar die Abteilung

Das Bundesamt hat beteuert, für Rassismus und Islamfeindlichkeit sei beim Verfassungsschutz kein Platz. Es sei damals konsequent gehandelt worden. Es heißt, gegen alle Beteiligten habe es disziplinarrechtliche Maßnahmen gegeben. Die Betroffenen seien zudem versetzt worden. Allerdings konnten sie zum Teil angeblich innerhalb der Islamismus-Abteilung bleiben, was Kritiker für eine fragwürdige Entscheidung halten - zumal eines der mutmaßlichen Beleidigungsopfer offenbar in eine andere Abteilung wechseln musste.

Es heißt, frühzeitig sei auch die Fachaufsicht der Behörde und das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags über die Vorfälle informiert worden. Im Amt herrscht demnach der Eindruck, es sei damals nichts gedeckelt oder vertuscht worden. Offenbar schwelte der Konflikt nach der angeblichen Klärung jedoch weiter, obwohl die betreffenden Mitarbeiter nicht mehr auffällig geworden seien.

Mit Unverständnis hat die Behörde außerdem auf Forderungen von Politikern reagiert, das Bundesamt von Köln nach Berlin zu verlegen, um frischen Wind in den Verfassungsschutz zu bringen. In der Hauptstadt arbeitet bereits jetzt etwa ein Viertel der Verfassungsschützer des Bundesamts. Die Arbeitseinheiten dort gelten manchen Politikern als besonders kompetent und dynamisch.

Amtschef Maaßen weist Umzugsüberlegungen zurück

Der Präsident des Bundesamts, Hans-Georg Maaßen, hat Umzugsüberlegungen jedoch sogleich zurückgewiesen. "Ein Umzug nach Berlin steht für mich nicht auf der Tagesordnung", sagte Maaßen. Entsprechende Pläne würden nur "Ängste und Unfrieden" befeuern und von der Reform des Amtes ablenken, die jetzt zügig umgesetzt werden solle.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz will seine Arbeitsweise grundlegend umstellen, "zielorientierter" werden und sich stärker auf die Beobachtung gewaltbereiter Extremisten konzentrieren. Dazu ist den Mitarbeitern in Köln vor Kurzem ein Bündel an organisatorischen Veränderungen vorgestellt worden. Maaßen betonte, er lege Wert darauf, die Mitarbeiter bei der Reform zu beteiligen und sie nicht von oben durchzusetzen.

Wie die SZ erfuhr, haben Muslime und Mitarbeiter mit Wurzeln im Ausland nicht nur beim Bundesamt Probleme, sondern auch in anderen Verfassungsschutzbehörden. Beleidigungen wie "Ölauge" oder negative Sprüche über Türken sind offenbar auch andernorts vorgekommen.

Wie viele Beamte bei den Sicherheitsbehörden Migranten oder Kinder von Einwanderern sind, ist nicht bekannt. Eine Statistik darüber wird nicht geführt. Beim Verfassungsschutz heißt es offiziell, Mitarbeiter mit besonderen Sprach- und Kulturkenntnissen seien sehr willkommen.

© SZ vom 28.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: