Iran:Moderater Hassan Rohani wird neuer Präsident Irans

Hassan Rohani, Gewinner der Präsidentschaftswahl in Iran

Hassan Rohani hat die Wahl in Iran gewonnen. 

(Foto: Reuters)

Eine Wahl, die einer Sensation gleichkommt: Hassan Rohani hat die Präsidentschaftswahlen in Iran mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewonnen. Damit wird ein gemäßigter Politiker Nachfolger von Mahmud Ahmadinedschad - doch über eine Annäherung an den Westen entscheidet ein anderer Mann.

Von Paul-Anton Krüger

Hassan Rohani ist neuer Präsident der Islamischen Republik. Der als moderat geltende Kleriker hat bereits in der ersten Runde mit 50,7 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit auf sich vereinen können. Angesichts der politischen Verhältnisse in dem Land kommt dies einer Sensation gleich.

Im Rennen um die Nachfolge von Mahmud Ahmadinedschad landete Mohammed Bagher-Kalibaf abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Der Bürgermeister von Teheran, ein konservativer Technokrat, erhielt gerade einmal 16,5 Prozent. Die Fraktion der Prinzipalisten, die in der Islamischen Republik die Politik dominiert, hat ihre schwerste Niederlage seit der Wahl des Reformers Mohammed Chatami zum Präsidenten im Jahr 1997 hinnehmen müssen.

Der Hardliner Said Dschalili, ein Vertrauter des Obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei, landete mit nur etwa 11 Prozent aussichtslos auf Platz drei. Und das, obwohl viele der vom Staat kontrollierten Medien ihn mit wohlwollender Berichterstattung und massiver Präsenz auf den Bildschirmen bedacht hatten. Das deuteten viele Iraner dahingehend, dass er der Wunschkandidat Chameneis gewesen sei - auch wenn der Oberste Führer nie eine Präferenz geäußert hat.

Knapp 40 Millionen von 50,5 Millionen Wahlberechtigten dürften nach offiziellen Angaben ihre Stimme abgegeben haben. Sie haben nicht wirklich eine Wahl gehabt, denn das Kandidatenfeld war vom linientreuen Wächterrat bereits handverlesen. Aber sie haben die Abstimmung dennoch genutzt, um eine klare Botschaft an die Führung des Regimes zu richten.

Unmittelbar nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlergebnisses strömten zehntausende Anhänger Ruhanis auf die Straßen und feierten den Sieg. Sie jubelten: "Ahmadi (Ahmadinedschad) bye-bye" und riefen: "Ruhani, kümmere Dich um das Wohl des Landes."

Einer, der Diplomatie der Konfrontation vorzieht

Die Menschen haben es satt, dass sich ihre Lebensbedingungen immer weiter verschlechtern. Sie sehen den Grund dafür nicht allein in der verfehlten Wirtschaftspolitik der Clique des scheidenden Präsidenten Ahmadinedschad - dann hätten sie auch Kalibaf an die Spitze setzen können, der sich als Bürgermeister der Hauptstadt den Ruf erarbeitet hat, ein guter Manager zu sein.

Die Iraner sehen ebenso, dass die aggressive Außenpolitik, für die im Kandidatenfeld vor allem der Atomunterhändler Dschalili stand, dem Land und ihren ganz persönlichen Interessen schadet. Sie haben sich nicht gegen das international umstrittene Atomprogramm gewendet oder die Beteiligung Irans am Bürgerkrieg in Syrien. Aber zumindest stimmten sie für einen Kandidaten, der seinen Wahlkampfaussagen nach Diplomatie der Konfrontation vorzieht und "konstruktive Interaktion" mit dem Rest der Welt angekündigt hat.

Eine Annährung an den Westen ist unsicher

Zumindest im Stil wird er sich abheben von seinem Vorgänger. Ob er allerdings eine Annäherung mit dem Westen einleiten kann und wie weit diese geht, wird vom Obersten Führer Ali Chamenei abhängen. In außen- und sicherheitspolitischen Fragen hat er das letzte Wort, und erst jüngst hatte er in einer Rede gemahnt, der neue Präsident solle im Interesse Irans, nicht des Auslands handeln. Es bestehe kein Anlass, dem Ausland "Privilegien" zu überlassen.

Das war in Iran als Zurechtweisung Rohanis aufgenommen worden, der zuvor mehrmals für eine Normalisierung der Beziehungen zum westlichen Ausland plädiert hatte.

Erschüttertes Vertrauen in die islamische Republik

Hassan Rohani ist zwar kein Oppositioneller, kein Reformer im eigentlichen Sinne. Aber er ist noch immer der Kandidat, der in den Augen der Iraner am ehesten für Wandel steht. Er hatte die Unterstützung von Ex-Präsident Mohammed Chatami, dem immernoch einflussreichsten Vertreter des Reformflügels in Iran. Und auch Haschemi Rafsandschani, ebenfalls früher einmal Präsident, der vor allem eine andere Wirtschaftspolitik aber auch eine pragmatischere Außenpolitik befürwortet, hatte sich hinter ihn gestellt, nachdem der Wächterrat ihn selbst als Bewerber ausgeschlossen hatte.

Geholfen dürfte ihm auch haben, dass der Reformer Mohammed Resa Aref seine Kandidatur auf Chatamis Bitte hin zurückgezogen hatte.

Die Konservativen haben sich selbst geschwächt, weil sie sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnten. Aber die Revolutionsrhetorik, die Said Dschalili im Wahlkampf angeschlagen hat, verfängt in Iran allenfalls noch bei den Bassidsch, den revolutionären Fußtruppen des Regimes. Der Mehrheit der Menschen aber geht es nicht um den angeblichen Widerstand gegen Amerika und Israel, sie haben allenfalls ein Schulterzucken übrig für die paranoide Auslegung der islamistischen Ideologie, die Chamenei dem Land aufzwingt.

An dem System wird Rohani nicht rütteln

Das Regime und Chamenei an seiner Spitze werten die hohe Wahlbeteiligung als Bestätigung ihrer Legitimität. "Eine Stimme für jeden dieser Kandidaten ist eine Stimme für die Islamische Republik und ein Vertrauensvotum für das System", teilte der Oberste Führer mit. Und an dem System wird auch Rohani nicht rütteln. Der Wächterrat hätte ihn sonst erst gar nicht zugelassen. Der Ayatollah kann mit ihm leben.

Doch das Vertrauen ist erschüttert.

Im Rahmen dessen, was das System zulässt, haben die Iraner deutlich gemacht, dass sie vor allem eines wollen: einfach nur besser leben. Viele hoffen darauf, dass ihnen ein Stück mehr persönliche Freiheit zugestanden wird. Das hat Rohani versprochen, als er von einer Charta der Bürgerrechte redete. Er forderte, die Überwachung der Medien und des Internets zu lockern. Und er kündigte an, sich für die Rechte der Frauen einzusetzen.

Mehr noch aber geht es vielen Iranern darum, dass sie ihre Tomaten wieder bezahlen können, ihr Hühnchen, ihre Pistazien.

Die große Frage bleibt, ob sich Chamenei von der äußerst breiten Unterstützung für Rohani beeindrucken lässt. Er muss sich keiner Wahl durch das Volk stellen. Die Herrschaft der Rechtsgelehrten, das Verfassungsprinzp der Islamischen Republik, das Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini einst geschaffen hatte, um sich die absolute Herrschaft bis zu seinem Tod zu sichern, enthebt ihn der Rechenschaftspflicht. Das erklärt wohl am besten, warum er das Land in seine miserable Situation manövriert hat.

Vorsichtige Hoffnung

Wahlsieger Rohani sprach in einer ersten Reaktion laut Medienberichten von einem "Sieg der Mäßigung über den Extremismus". "Ich freue mich, dass im Iran endlich wieder die Sonne der Vernunft und der Mäßigung scheint", sagte er. Er werde zu dem stehen, was er dem iranischen Volk versprochen habe, und werde nicht damit aufhören, bis es erreicht sei. Er hoffe, dass der Westen jetzt eine neue Haltung zum Iran einnehme und zwar auf der Grundlage von Fairness und gegenseitigem Respekt.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu verlangte in einer ersten Reaktion ein Ende des umstrittenen iranischen Atomprogramms. "Iran muss der Forderung der internationalen Gemeinschaft nachkommen und sein Atomprogramm sowie die weltweiten terroristischen Aktivitäten stoppen", teilte Netanjahus Sprecher Ofir Gendelman am Samstag auf Twitter mit. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums warte später vor überzogenen Erwartungen: Das umstrittene iranische Atomprogramm werde bislang vom obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei bestimmt und nicht vom Präsidenten, erklärte ein Sprecher des israelischen Außenministeriums am Samstag.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den Sieg des moderaten Geistlichen Hassan Ruhani bei der Präsidentschaftwahl im Iran als "Votum der Menschen für Reformen und eine konstruktive Außenpolitik" gewertet. Es sei zu hoffen, dass die neue Führung in Teheran an Lösungen bei internationalen und regionalen Fragen mitarbeite, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich unterdessen "entschlossen" zur Zusammenarbeit mit der neuen iranischen Führung bei der Suche nach einer "raschen diplomatischen Lösung" im Atomstreit mit Teheran.

Die internationale Besorgnis angesichts des iranischen Atomprogramms thematisierte auch Großbritannien. Ruhani solle "die Gelegenheit nutzen, Iran für die Zukunft auf einen anderen Kurs zu setzen", sagte das Außenministerium in London. Das Ministerium nannte unter anderem die Beziehungen Irans zur internationalen Gemeinschaft und die Menschenrechtspolitik Teherans.

Frankreich nahm die Wahl Ruhanis "zur Kenntnis" und erklärte sich bereit zur Zusammenarbeit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: