Iran: Inhaftierte deutsche Journalisten:Zwölf Stunden Hoffnung nach 79 Tagen Haft

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Iran gestattet den beiden inhaftierten deutschen Journalisten ein Treffen mit Verwandten - doch der Fall bleibt nebulös.

Rudolph Chimelli und Paul-Anton Krüger

Die beiden seit elf Wochen in Iran inhaftierten deutschen Journalisten haben sich in der Nacht zum Dienstag zwölf Stunden lang mit Verwandten treffen können. Das bestätigte am Dienstag das Auswärtige Amt (AA) in Berlin. Die Begegnung fand demnach in einem Hotel in der nordwestiranischen Provinzhauptstadt Täbris statt, in das die Reporter aus dem Gefängnis der Stadt gebracht wurden. Sie konnten zeitweilig mit ihren Angehörigen alleine sprechen, während iranische Offizielle und deutsche Botschaftsangehörige Distanz hielten.

Familienzusammenführung in Täbris: Einer der inhaftierten deutschen Journalisten mit einem Familienmitglied. (Foto: dpa)

In einer kurzen Reportage des iranischen Senders al-Alam wirkten die beiden angespannt und wollten sich nicht filmen oder fotografieren lassen. Zu den Haftbedingungen machte das AA keine Angaben. Am Morgen konnten die Männer gemeinsam mit ihren Verwandten frühstücken, diese reisten am Dienstagnachmittag zurück nach Teheran.

Die Angehörigen, die Schwester eines Reporters der Bild am Sonntag und die Mutter eines Fotografen des Blatts, waren am Montagabend in Begleitung des deutschen Botschafters in Iran, Bernd Erbel, nach Täbris geflogen. Zuvor hatte sie der amtierende iranische Außenminister, Ali Akbar Salehi, in Teheran in seinem Amtssitz empfangen und ihnen zugesichert, dass sie in Täbris die Inhaftierten treffen könnten.

Eine von Iran in Aussicht gestellte Begegnung in Teheran während der Weihnachtsfeiertage war nicht zustandegekommen. Dabei spielte offenbar die Besorgnis iranischer Stellen eine Rolle, die beiden deutschen Journalisten könnten auf dem ex-territorialen Gelände ihrer Botschaft dem iranischen Zugriff dauerhaft entzogen sein, wobei Diplomaten einwandten, ein Treffen in der iranischen Hauptstadt hätte ebenso in einem Hotel stattfinden können.

Das Auswärtige Amt hatte am Montag den iranischen Botschafter in Berlin, Ali Reza Sheik Attar, einbestellt und "deutlich den Unmut zum Ausdruck gebracht", dass "feste Zusagen der iranischen Seite" nicht eingehalten worden seien. Daraufhin telefonierte Salehi zweimal mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der zwischendurch noch Rücksprache mit den Angehörigen hielt, die Heiligabend eigens nach Teheran gereist waren. Nach dem Treffen dankte Westerwelle seinem iranischen Kollegen für seine Hilfe. Das Auswärtige Amt betonte aber, die beiden Journalisten müssten freigelassen werden und nach Deutschland ausreisen dürfen.

Der Chefredakteur der beiden Reporter, Walter Mayer, äußerte sich erleichtert und besorgt zugleich. "Wir können gar nicht ermessen, was es für unsere Kollegen bedeutet hat, nach 79 Tagen Haft, Angst und Ungewissheit ihre Angehörigen zu treffen." Bittere Tatsache sei aber auch, dass die Männer weiter in Haft blieben. "Unsere Forderung bleibt deshalb die sofortige Freilassung."

Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Ramin Mehmanparast, dämpfte jedoch am Dienstag die Hoffnung der Inhaftierten, nach diesem Besuch bald freizukommen. Ihr Fall liege in den Händen der Justiz, die über Schuld oder Unschuld entscheiden werde. Der Besuch bei den verhafteten Journalisten sei nur aus humanitären Gründen gestattet worden. Die beiden waren am 10. Oktober in Täbris bei dem Versuch verhaftet worden, mit dem Sohn der zum Tod durch Steinigung verurteilten Sakineh Mohammadi Aschtiani ein Interview zu führen.

Sie waren als Touristen eingereist, nicht als Journalisten. Unklar ist nach wie vor, welche Beschuldigungen die iranische Justiz gegen sie erheben wird. Sollten ihnen nur Visa-Verstöße zur Last gelegt werden, könnten sie nach Abschluss der Untersuchungen abgeschoben werden. Allerdings hatten Hardliner und lokale Justizvertreter sie öffentlich der Spionage beschuldigt. Eine Verurteilung wegen dieses Delikts könnte schwere Strafen nach sich ziehen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes liegt aber bislang keine Anklage gegen sie vor.

Der iranische Machtapparat verfolgt bei der Behandlung des Falles keinen einheitlichen Kurs. Präsident Mahmud Ahmadinedschad, sein Vertrauter Esfandiar Rahim Maschaie und das Außenministerium haben zu erkennen gegeben, dass sie an einer raschen Bereinigung interessiert sind, um die politischen Schäden zu begrenzen. Auf der anderen Seite stehen die Geheimdienste. Sie waren über die Reise der Journalisten von Anfang an durch Telefonüberwachung informiert, verfolgten ihren Weg von der Einreise auf dem Teheraner Flughafen bis nach Täbris und griffen erst zu, als die beiden mit Aschtianis Sohn und ihrem Anwalt in dessen Büro versammelt waren.

Auch die stark klerikal geformte Justiz neigt zu harten Positionen. Dies gilt noch mehr für ihre Instanzen in Täbris, der Hauptstadt des iranischen Aserbaidschan. Dort beharrt man auf Eigenständigkeit und hört ungern auf politische Winke aus Teheran.

© SZ vom 29.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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