Irak:Kurden kündigen Unabhängigkeits-Referendum an

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Noch im September sollen die Bürger über eine Abspaltung ihrer Gebiete entscheiden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Kurden im Irak sollen am 25. September in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Das gab das Büro von Präsident Masoud Barzani nach einem Treffen mit Funktionären der im Parlament in Erbil vertretenen Parteien und Mitgliedern der kurdischen Regionalregierung bekannt. Die Abstimmung soll ausdrücklich alle von der Regierung als kurdisch betrachteten Gebiete in Irak umfassen, also auch die Region Kirkuk, Khanqin, das Sinjar-Gebirge und Makhmour, die auch von der schiitisch dominierten Zentralregierung in Bagdad beansprucht werden. Die kurdischen Peschmerga hatten die Kontrolle über diese Gebiete im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewonnen. Das wegen seines Ölreichtums seit langem umstrittene Kirkuk hatten sie auf ausdrückliche Bitte Bagdads übernommen und verteidigt.

Die Abstimmung soll nicht bindend sein - birgt aber dennoch viel Konfliktpotenzial

Die Abstimmung war zuvor schon für nicht bindend erklärt worden und würde wohl nicht sofort eine Unabhängigkeitserklärung nach sich ziehen. Sie hat aber das Potenzial, zu einem ernsten Konflikt mit Bagdad zu führen - bis hin zu einem neuen Krieg im Irak. Erbil und die Zentralregierung streiten seit Monaten über die Verteilung der Öleinnahmen. Bagdad hat seine Überweisungen eingestellt, sodass die kurdische Regionalregierung monatelang keine Gehälter auszahlen konnte. Erst vor Kurzem hatten die Kurden ihre Flagge über Kirkuk gehisst und ein Votum des Parlaments in Bagdad ignoriert, alleine die irakische Flagge über Regierungsgebäuden wehen zu lassen.

Barzani hat schon mehrmals ein Referendum angekündigt. Diesmal beruht sein Vorstoß aber auf einem breiten politischen Kompromiss, der ebenfalls vorsieht, im November die überfälligen Parlamentswahlen abzuhalten. Die Parteien beschlossen zudem, der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen Priorität zu geben. Die Mehrheit der arbeitenden Kurden ist direkt oder indirekt bei der Regionalregierung beschäftigt und deshalb von der Wirtschaftskrise und dem Ausbleiben der Gehälter besonders betroffen. Westliche Diplomaten hatten noch im Frühjahr keine logistischen Vorbereitungen für die angekündigte Abstimmung bemerkt. Sie könnte auch dieses Mal wieder verschoben werden. Mit dem Beschluss vom Mittwoch haben sich aber alle wichtigen kurdischen Parteien in Irak selbst unter Druck gesetzt und Erwartungen bei der Bevölkerung geweckt.

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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