Irak:IS-Terrorist tötet 64 Zivilisten in Bagdad

Lesezeit: 1 min

Vor einem gut besuchten Lebensmittelmarkt parkt ein Anhänger der Islamistenmiliz ein mit Sprengstoff präpariertes Auto. Das Attentat trifft das Land mitten in einer innenpolitischen Krise.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Bei einem Autobombenanschlag auf das schiitische Viertel Sadr-City in Bagdad sind am Mittwoch mindestens 64 Menschen getötet worden. 87 wurden so schwer verletzt, dass die Behörden befürchteten, die Zahl der Toten könnte auf bis zu 100 steigen. Stunden später starben bei zwei weiteren Explosionen im Westen und Norden Bagdads mindestens 22 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Zu dem ersten Anschlag in Sadr-City, der während der Hauptverkehrzeit am Morgen verübt wurde, bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). In deren extremistisch-sunnitischen Ideologie gelten Schiiten als vom Glauben abtrünnig. Der Täter stellte das mit Sprengstoff präparierte Auto in der Nähe eines gut besuchten Lebensmittelmarktes ab und verschwand laut Polizei zwischen den Passanten. Erst im Februar ermordeten zwei Selbstmordattentäter des IS 70 Menschen auf einem Markt im selben Viertel.

Iraks Regierung hat eine Offensive gegen den IS begonnen, deren Ziel die Befreiung der Großstadt Mossul ist. 2015 hatte sie die Terrormiliz aus Teilen der nordwestlich von Bagdad gelegenen Provinz Salaheddin vertrieben. Schiitische Milizen, teils unter Kontrolle der iranischen Revolutionsgarden, hatten großen Anteil daran. Sie dringen darauf, auch an der Rückeroberung Mossuls beteiligt zu werden, was sunnitische Politiker ablehnen. Der IS hat zuletzt seine Attacken in Bagdad und anderen Regionen wieder verstärkt, mutmaßlich auch in Reaktion auf die Offensive. Laut UN starben 2016 in den ersten vier Monaten 1885 Zivilisten durch Gewalt im Irak.

Das Attentat trifft das Land in einer schweren politischen Krise. Anhänger des Schiiten-Predigers Muqtada al-Sadr, nach dessen Vater das betroffene Viertel benannt ist, hatten jüngst die Grüne Zone in Bagdad gestürmt und von Premier Haidar al-Abadi gefordert, eine verkleinerte Technokraten-Regierung einzusetzen. Der IS könnte in der instabilen Lage versuchen, einen neuen Bürgerkrieg anzuzetteln. 2006 und 2007 starben Zehntausende bei Auseinandersetzungen entlang konfessioneller Trennlinien. Den Konflikt hatte al-Qaida im Irak mit Anschlägen auf Schiiten mit ausgelöst.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: