Irak:Angehörige des Emirs von Katar im Irak entführt

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Die Jagd mit Falken ist ein beliebter Sport bei reichen Arabern vom Golf. Sie sagen, es erinnert sie an die Lebensweise ihrer Ahnen. (Foto: AFP)
  • Mindestens 26 Katarer werden in der südirakischen Wüste von Bewaffneten entführt. Darunter sind offenbar auch Angehörige des katarischen Emirs.
  • Die Gruppe war auf einem Jagdtrip mit Falken, einem beliebten Sport in den Golfstaaten.
  • Das Gebiet wird von schiitischen Stammesleuten kontrolliert. Möglicherweise haben die Entführer politische Forderungen an das Emirat, das in Syrien sunnitische Rebellen unterstützt.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Kidnapper kamen in der Nacht. Mehr als 50 Jeeps und Pick-ups mit aufgepflanzten Maschinengewehren umstellten das Lager der Jagdgesellschaft in der menschenleeren Wüste von Samawah, gelegen im Süden Iraks an der Grenze zu Saudi-Arabien. Die beiden Sicherheitsbeamten, von der Regierung in Bagdad zum Schutz der Falkner abgestellt, machten keine Anstalten, die hochmögenden Gäste aus dem reichen Golf-Emirat Katar zu schützen, unter ihnen offenbar Angehörige des Emirs Tamim bin Hamad al-Tahni. Zu übermächtig waren die mehr als hundert Angreifer, die wohl genau wussten, wer dort unter dem grandiosen Sternenhimmel seine Zelte aufgeschlagen hatte.

Die isolierte Gegend 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Bagdad wird von schiitischen Stammesleuten kontrolliert; jeder Mann trägt dort eine Waffe, die Sicherheitslage gilt als problematisch. Laut dem Gouverneur der Provinz al-Muthanna trugen die Entführer Militäruniformen und brachten mindestens 26 Katarer in ihre Gewalt; die Iraker ließen sie laufen. Die Angreifer seien von Norden aus Richtung Nassiriya gekommen; dorthin seien sie auch mit ihren Geiseln geflohen. Die irakischen Behörden starteten eine Suchaktion.

Entführer verfolgen angeblich politische Ziele

Das Innenministerium in Bagdad teilte mit, die "unbekannten Militanten" verfolgten "politische Ziele" und suchten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Ein Gewährsmann in Bagdad, passionierter Jäger und mit der Gegend bestens vertraut, berichtete, die Entführer forderten nach unbestätigten Berichten 100 Millionen Dollar Lösegeld. Das eine schließt das andere nicht aus.

Golfaraber sind im schiitisch geprägten Südirak nicht gerade beliebt: Katar unterstützt in Syrien sunnitische Rebellen, schiitische Milizionäre aus Irak kämpfen zu Tausenden an der Seite des Regimes von Baschar al-Assad in Syrien. Katar ist bekannt für märchenhaften Reichtum - ein Lösegeld im mehrstelligen Millionenbereich für enge Verwandte des Emirs liegt nicht jenseits alles Vorstellbaren.

Die Identität der Geiseln ist nicht öffentlich bekannt; das Außenministerium in Doha teilte lediglich mit, die Jäger hätten die nötigen Genehmigungen der Regierung in Bagdad besessen. Das irakische Innenministerium warf ihnen allerdings vor, den gesicherten Bereich in der Wüste verlassen zu haben, was zweifelhaft ist, wurden sie doch von irakischen Wächtern begleitet.

In Doha hieß es, Katar arbeite "auf höchster Ebene" mit Irak an der Befreiung; Außenminister Khalid bin Mohammed al-Attiyah telefonierte mit seinem irakischen Kollegen Ibrahim al-Jaafari. Der Sender Al-Jazeera meldete, neun Geiseln seien bereits freigekommen und über die Grenze nach Kuwait gebracht worden, wo sie in ein Krankenhaus geflogen wurden; über das Schicksal der andern Entführten wurde nichts bekannt.

Reiche Katarer schwärmen von Trips in die Einsamkeit der Wüste

Die Wüste im Süden Iraks ist zu dieser Jahreszeit bei reichen Golfarabern beliebtes Ziel für Jagdreisen. Die Falknerei, vor Jahrhunderten von den Beduinen als Jagdtechnik in der kargen Wüste entwickelt, ist so etwas wie ein Nationalsport in Katar und wird zudem als Teil des kulturellen Erbes gepflegt, von der Bedeutung her nur vergleichbar mit Kamelrennen. Katarische Jungen bekommen oft mit zehn, zwölf Jahren vom Vater ihren ersten Greifen geschenkt, ein Initiationsritus, der sie erziehen soll, Verantwortung zu übernehmen. Für edle Jagdfalken zahlen vermögende Katarer fünf- bis sechsstellige Summen. Es gibt in Doha einen Falken-Souq und spezielle Kliniken für die Vögel.

Die Tiere werden abgerichtet, ihre Beute, Gazellen und Vögel, aus dem Sturzflug zu schlagen. Gejagt wird am liebsten die asiatische Kragentrappe, ein Vogel so groß wie eine Gans mit prächtigem Gefieder. Weil die Bestände in den Golfstaaten bis an die Grenze der Ausrottung bejagt wurden, weichen die Falkner nach Irak, Marokko, Pakistan und auch Afghanistan aus. Katarer, die in den ultramodernen Städten des Emirats leben, schwärmen von den teils mehrwöchigen Trips in die Einsamkeit der Wüste als Rückkehr zur Lebensweise ihrer Ahnen - auch wenn die nicht mit klimatisierten Geländewagen durch die Dünen brausten.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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