Interview mit "Washington Post":Ägyptens Armeechef Al-Sisi fordert Unterstützung durch USA

Lesezeit: 2 min

Der starke Mann in Ägypten: Abdel Fattah al-Sisi (hier auf einem Foto vom Mai 2013) (Foto: dpa)

Ein ungewöhnlicher Schritt: In seinem ersten Interview seit der Absetzung von Präsident Mursi fordert Armeechef Al-Sisi die USA auf, Druck auf die Muslimbrüder auszuüben. Diese rufen einen Monat nach dem Sturz von Mursi ihre Anhänger zu einer "Demonstration der Millionen".

Der ägyptische Armeechef Abdel Fattah al-Sisi forderte die USA dazu auf, sich bei den Muslimbrüdern für die freiwillige Beendigung ihrer Dauerproteste einzusetzen. "Die US-Regierung hat großen Einfluss bei der Muslimbruderschaft sowie viele Möglichkeiten, Druck auszuüben, und ich würde es wirklich begrüßen, wenn sie diese dazu nutzte, um den Konflikt zu lösen", sagte Al-Sisi in einem Interview mit der Washington Post. Al-Sisi warf der US-Regierung vor, Ägypten nicht genügend bei der Vermeidung eines Bürgerkriegs zu unterstützen. "Ihr habt die Ägypter verlassen. Ihr habt den Ägyptern den Rücken zugewandt - das werden sie euch nicht vergessen."

Al-Sisi betonte in seinem ersten Interview seit dem Umsturz seine Entschlossenheit, die Protestlager der Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi zu beenden. Mehr als 30 Millionen Menschen seien am 26. Juli zu seiner Unterstützung auf die Straße gezogen. "Diese Menschen erwarten von mir, dass ich etwas unternehme", sagte al-Sisi. Allerdings sei nicht das Militär für eine Räumung der Camps zuständig, sondern die Polizei.

Der Armeekommandeur gilt derzeit als der eigentlich starke Mann in Ägypten. In der Übergangsregierung bekleidet er die Posten des ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten und des Verteidigungsministers.

Muslimbrüder kündigen "Demonstration der Millionen" an

Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi haben vor ihrem Protestcamp eine Barrikade errichtet. (Foto: REUTERS)

Einen Monat nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi wollen die Islamisten mit neuen Massenkundgebungen seine Wiedereinsetzung durchsetzen. Die Muslimbruderschaft hat für diesen Sonntag zu einer "Demonstration der Millionen" aufgerufen. Seit der Absetzung Mursis am 3. Juli durch das Militär gehen die Anhänger des Islamisten regelmäßig auf die Straße. Tausende Mursi-Anhänger harren darüber hinaus in zwei Protestcamps in Kairo aus, in denen sie so lange bleiben wollen, bis der Ex-Präsident wieder im Amt ist.

Bei Zusammenstößen zwischen Islamisten, Sicherheitskräften und Zivilisten sind seit Mursis Sturz 200 Menschen getötet und Tausende weitere verletzt worden. Mitte der Woche hatte die ägyptische Übergangsregierung dem Innenministerium grünes Licht gegeben, die beiden Protestcamps in Kairo mit Polizeigewalt zu räumen.

Der Westen will eine Eskalation des Konflikts vermeiden

Das Innenministerium erneuerte am Samstag seinen Aufruf an die Anhänger der Muslimbrüder, die Protestlager umgehend zu verlassen. Wer nicht an gewaltsamen Aktionen beteiligt gewesen sei und nicht zum Terrorismus aufgerufen habe, müsse keine Strafverfolgung fürchten, hieß es in dem Appell. Die Organisatoren der Dauerproteste würden aber verschiedener Verbrechen, darunter Mord und illegaler Waffenbesitz, verdächtigt und müssten deshalb juristisch zu Verantwortung gezogen werden. Einen ähnlich lautenden Aufruf hatte das Ministerium am Donnerstag veröffentlicht.

Der Westen will die ägyptische Übergangsregierung von neuer Gewalt gegen die entmachteten Islamisten abhalten. Ägyptens Außenminister Nabil Fahmi betonte jedoch am Samstag während eines Treffens mit US-Vizeaußenminister Burns in Kairo, die Entscheidung liege letztlich alleine bei seiner Regierung, "die den Willen des ägyptischen Volkes umsetzt". Ähnlich habe sich Fahmi in einem Gespräch mit dem EU-Nahostgesandten Bernardino Leon geäußert, teilte ein Sprecher des Ministers mit. Nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira hat Burns seinen Ägyptenbesuch verlängert. Er wolle am Sonntag Al-Sisi treffen.

Gewalt zwischen Christen und Muslimen

In der ägyptischen Provinz Al-Minia ist es nach Demonstrationen von Mursi-Anhängern zu Gewalt zwischen Christen und Muslimen gekommen. In dem Dorf Raida hätten die Islamisten während eines Protestmarsches am späten Samstagabend eine Kirche und mehrere Häuser von Christen mit Steinen beworfen, berichtete das christliche Nachrichtenportal Wataninet.com am Sonntag.

In dem Dorf Bani Ahmed al-Scharkija schritt die Polizei mit Tränengas ein, als sich nach einer Pro-Mursi-Demonstration am Abend in einem Teehaus ein persönlicher Streit zwischen einem jungen Muslim und einem koptischen Christen zu einer Straßenschlacht ausweitete. Die Kontrahenten warfen Steine und Brandbomben. Drei Zivilisten und ein Polizeioffizier wurden verletzt.

Ein Vertreter der Organisation "Kopten ohne Grenzen" sagte dem Nachrichtenportal youm7, die Mursi-Anhänger griffen zunehmend Christen an, "um Terror in der Gesellschaft zu verbreiten". Kirchenvertreter und maßgebliche muslimische Geistliche hatten vor einem Monat die Absetzung Mursis gebilligt.

© Süddeutsche.de/dpa/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: