Internet:Mach's mit

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Wer zu Hause am Fernseher sitzt, muss damit rechnen, beobachtet zu werden. Denn Verbrecher sind überall, und Geheimdienste sind maßlos. Doch die Nutzer können sich wehren.

Von Nicolas Richter

Neuerdings kann man auch spannend fernsehen, ohne sein Gerät anzuschalten. Es reicht, vom Sofa aus den schwarzen Bildschirm zu betrachten und zu überlegen, was man da eigentlich vor sich hat. Oft ist dies inzwischen ein Apparat mit Mikrofon und Skype-Kamera und direktem Draht ins Internet. Es ist nicht mehr nur Theorie, dass einen jemand auf der Couch belauscht oder beobachtet. Der US-Geheimdienst CIA, das legen neue interne Dokumente nahe, hat sich genau dafür ausgerüstet.

Ähnliches gilt für all die anderen kleinen Elektronikwunder, allen voran das Smartphone, das mehr über viele Menschen verrät als deren Wohnung. Die mobile Kommunikation und das "Internet der Dinge" bieten dem Staat unvorstellbare Überwachungsmöglichkeiten; die neuen Erkenntnisse über die Hackertruppe der CIA erinnern daran, dass der Staat diese Tricks auch wirklich einsetzt.

Wäre man Zyniker, könnte man das Thema Cybersicherheit schlicht ignorieren, weil ja eh alles mitgehört, mitgelesen oder gehackt werden kann. Zynismus oder Paranoia aber sind verfehlt. Es wäre falsch, schon zu Beginn des Digitalzeitalters zu resignieren. Die Bürger, die zunehmend "User" sind, können sich zum Teil selbst schützen, müssen aber auch mehr Hilfe einfordern von Staat und Industrie.

Wer zu Hause die Laptop-Kamera abklebt, ist keineswegs paranoid

Das Ringen um Internetsicherheit wird zuweilen mit der alten Debatte um den Sicherheitsgurt verglichen: Auch damals hat es gedauert, bis sich ein Gefahrenbewusstsein bildete, bis Gesetze folgten, bis die Industrie half, die Gewohnheiten zu ändern. Allerdings ist das vernetzte Leben komplexer als Autofahren. Ein Sicherheitsgurt reicht für ein ganzes Autoleben, im Netz versuchen Gauner und Spione, jeden Virenscanner und jedes Passwort täglich neu zu überwinden. Aufs Auto übertragen ist das, als sitze jemand auf der Rückbank, der einem ständig den Sicherheitsgurt durchschneiden will.

Für den Umgang mit Telefon und Internet kann man daraus drei Schlüsse ziehen. Erstens: Als Nutzer ist man dem Netz und seinen Spähern nicht ausgeliefert, man kann aus eigener Kraft einiges abwehren. "Mach's mit", der Spruch aus der Aufklärungskampagne gegen Aids lässt sich auch auf das Internet anwenden: Es hilft wirklich, den aktuellsten Virenscanner zu benutzen, ebenso eine E-Mail-Verschlüsselung. Es hilft, regelmäßig das Passwort zu ändern und internetfähige Haushaltsgeräte abzusichern.

All der Aufwand kann zwar nie ganz ausschließen, dass ein Geheimdienst trotzdem mitliest. Aber für den Alltag der meisten Menschen sind Spione weniger gefährlich als Verbrecher, die mithilfe von Phishing-Mails Bankdaten abgreifen oder einen Computer sperren, um Lösegeld zu erpressen. Vieles davon kann man mit einfachen Mitteln abwehren. Die CIA-Methoden bedeuten auch nicht, dass verschlüsselte Messaging-Apps überflüssig sind. Der Text ist für Dritte tatsächlich unlesbar, solange er unterwegs ist. Gerade deswegen muss sich die CIA ja damit behelfen, dass sie Botschaften bereits dann abgreift, wenn sie eingetippt werden.

Zweitens: Absolute Sicherheit findet man im Netz so wenig wie beim Autofahren. So, wie man ab und zu das Auto stehen lässt, kann man bei heikler Kommunikation auch das Netz meiden. Zuweilen ist es eben doch besser, ins Flugzeug zu steigen, statt Unterlagen zu mailen, und man ist keineswegs paranoid, wenn man zu Hause aus Vorsicht die Skype-Kamera abdeckt oder den Stecker zieht, um, wenn vielleicht nicht CIA-Agenten, so doch kriminelle Voyeure fernzuhalten.

Drittens: Hilfe und Aufklärung sollten die Nutzer auch von Industrie und Regierung einfordern. Wer Smart-Fernseher verkauft, sollte dabei helfen müssen, die Verbraucher zu informieren und Sicherheitslücken zu bereinigen. Das Gleiche gilt für den Staat, der seine Bürger aufklären und schützen sollte. Sein Problem ist, dass er im Interessenkonflikt steckt. Anders als bei der Gurtpflicht sorgt sich der Staat hier nicht um die Interessen der Fahrer oder der Autoindustrie, sondern um seine eigenen: Wenn er im Netz Sicherheitslücken ausmerzt, nimmt er sich selbst eine Spionagemöglichkeit.

So wichtig Terrorabwehr durch Internetüberwachung ist - die Enthüllungen Edward Snowdens über die NSA haben daran erinnert, dass der Staat in seiner Sammelwut stets zur Maßlosigkeit neigt. Auch das sollte nicht zur Resignation verleiten. Die NSA-Affäre hat ja gerade bewiesen, dass eine Gesellschaft die größten Exzesse auch wieder eindämmen kann, ohne die nationale Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Der Internetbürger sollte sich dem Netz also nicht mit Fatalismus hingeben. Kritische Wachsamkeit im Cyberspace aber ist so notwendig wie noch nie; sogar beim Fernsehen auf dem Sofa.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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