Indonesien:Vor dem Toleranz-Test

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In Jakarta könnte ein chinesisch-stämmiger Christ wieder Gouverneur werden. Doch seine Gegner schüren viele alte Vorurteile.

Von Arne Perras, Singapur

Der Gouverneur von Jakarta beschwört die Verfassung und sagt: "Wir sind eine tolerante Nation". Wenn er recht hat, muss er sich eigentlich keine Sorgen machen, dann sieht es nicht schlecht aus um seine Kandidatur und den Versuch, die indonesische Hauptstadt weiter zu regieren. Am Mittwoch wählen die Bewohner den Regierungschef der Zehn-Millionen-Metropole, ein prestigeträchtiger Posten, der als Sprungbrett für das Amt des Präsidenten gilt. Staatschef Joko Widodo hat diesen Weg vor 28 Monaten genommen. Als er den Gouverneursposten räumte, rückte sein damaliger Vize nach: Basuki Tjahaja Purnama, genannt Ahok.

Der Gouverneur gehört zur Minderheit im Land, und das im doppelten Sinne: Er ist Christ und er hat chinesische Wurzeln. Überwiegend leben im Vielvölkerstaat Muslime. Und unter den zahlreichen ethnischen Gruppen machen Bürger mit chinesischen Wurzeln nur etwa zwei bis vier Prozent aus. Dass der gewiefte Geschäftsmann politisch so weit aufsteigen konnte, galt immer als Beleg für starke liberale und säkulare Strömungen. Die gibt es immer noch, doch dogmatische und eifernde Kräfte verschaffen sich ebenfalls Raum. Und das ermutigt religiöse Hardliner, die immerzu nach Themen suchen, um die Hüter des Glaubens zu geben.

Islamische Parteien haben in Indonesien - bislang - nie Mehrheiten im nationalen Parlament erobert. Auch ihre Versuche, sich als saubere Alternative zu den traditionellen, oft von Korruption geplagten säkularen Kräften zu präsentieren, sind misslungen. Denn auch Mitglieder der islamischen Parteien verstrickten sich in Korruptionsskandale, oder schauten schon mal Pornos in der Parlamentssitzung, so wie 2011 ein Abgeordneter der islamischen PKS. Das macht sich als Tugendwächter dann doch nicht so gut.

Ahok will muslimische Wähler. Nun sagen seine Feinde, er habe den Koran beleidigt

Doch auch Ahok, der lange als Favorit im Rennen galt, kann sich nicht mehr sicher sein, ob er gewinnt. Das hat vor allem mit einem Prozess zu tun. Lärmende Gegner haben den Mann mit Blasphemie-Vorwürfen vor Gericht gezerrt, sie behaupten, er habe den Koran beleidigt. Längst verdichten sich die Indizien, dass das Verfahren ein von politischen Interessen getriebener Prozess ist, der darauf zielt, Ahok als Kandidaten zu zerstören. Ob das gelingt, wird sich am Mittwoch zeigen. Die Stimmung ist aufgeladen. Und gut organisierte Massendemonstrationen im November und Dezember, bei denen Hunderttausende gegen den Gouverneur protestierten, haben seine Anhänger geschockt.

Es waren nur zwei, drei Sätze, die Ahok vor einigen Wochen im Wahlkampf in Bedrängnis brachten. Er warf seinen Gegnern vor, sie zitierten eine Passage aus dem Koran, um die Leute davon zu überzeugen, dass sie als Muslime keinen Christen zum Anführer wählen sollten. Daraus leiteten seine Feinde ab, Ahok habe den Koran beleidigt, so kam er vor Gericht, das Verfahren läuft noch. Auch wenn der Prozess als durchsichtiges Manöver erschien, so schürte er gleichzeitig doch Argwohn in konservativen muslimischen Kreisen.

Hinter dem geballten Zorn dürfte jedoch noch mehr stecken. Auch wegen seiner chinesischen Wurzeln gilt Ahok als leicht angreifbar. Chinesisch-stämmige Indonesier würden immer noch als Gegner oder Gefahr betrachtet, schreibt in der Jakarta Post Sylvie Tanaga, die selbst zur ethnischen Minderheit gehört. Die Vorurteile sitzen tief. Ökonomisch ist die Gruppe weitaus bedeutsamer, als es ihr geringer Anteil an der Bevölkerung nahelegt. Einige der reichsten Indonesier haben chinesische Wurzeln. Ihr wirtschaftlicher Erfolg macht es Brandstiftern leicht, Neid zu schüren. Es hat immer wieder Pogrome gegen Chinesen gegeben, sie werden als Sündenböcke für alle möglichen Probleme attackiert. Die Analystin Charlotte Setijadi spricht von "Unterströmungen von Rassismus", die in Indonesien an die Oberfläche kämen. Ressentiments gegen Chinesen seien besonders leicht zu bedienen, um den Mob in Rage zu bringen. Wenn sich nun vor der Wahl die Stimmung aufheizt, so werden Indonesiens Chinesen nervös, auch wenn die meisten ihre Angst nicht offen zeigen.

In der angespannten Lage treten zwei muslimische Kandidaten gegen Ahok an, von denen einer der Sohn des Ex-Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono ist. Beiden nützt der Zorn, der Ahok entgegenschlägt. Die Rivalen haben aufgeholt in Umfragen, nun ist kaum abzusehen, wer sich durchsetzt. Manche von Ahoks Anhängern haben keinen Zweifel, dass Prozess und Demos von jenen Kräften mitgesteuert werden, die hinter Ahoks Rivalen stehen. Yudhoyono hat zurückgewiesen, dass er die Finger mit im Spiel habe, um dem Sohn zu helfen. Wenn jetzt keiner die Mehrheit erringt, kommt es im April zur Stichwahl. "Dann wird es noch schmutziger", glaubt der Analyst Tobias Basuki.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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