Indien:Maoisten töten mehr als 70 Polizisten

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Maoisten überfallen in Indien einen Polizeikonvoi und töten 70 Beamte. Ihre Mitglieder rekrutieren die Rebellen vor allem unter den Verlierern des Wirtschaftsbooms.

Es war der bisher blutigste Überfall indischer Maoisten auf die Sicherheitskräfte: Bei einem Großangriff auf einen Konvoi der indischen Bundespolizei wurden am Dienstag mehr als 70 Beamte getötet. Zwölf weitere Polizisten seien bei dem Angriff im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher.

Kurz nach Sonnenaufgang hatten die Maoisten zugeschlagen: Zunächst stoppten sie die 120 Beamten mit mehreren Sprengsätzen in einem Waldstück. Danach nahmen 250 Rebellen und mehrere hundert sympathisierende Dorfbewohner die Einsatzkräfte von umliegenden Hügeln unter Feuer. "Die Männer hatten keine Chance", berichteten Reporter aus der Region. In indischen Medien war vom bislang schwersten Maoisten-Angriff auf Sicherheitskräfte die Rede.

"Irgendetwas ist schiefgelaufen"

Innenminister Palaniappan Chidamabaram sagte dem Sender NDTV, die Polizisten seien auf dem Rückweg von einem mehrtägigen Einsatz gegen die Maoisten in der Region Dantewada gewesen. Dabei sei die Einheit offensichtlich in eine von den "Rebellen gestellte Falle getappt". "Wir haben diese Operation sorgfältig geplant, aber irgendetwas ist schiefgelaufen", so Chidambaram weiter.

Seinen Ursprung hat der bewaffnete Kampf der Maoisten Ende der sechziger Jahre im Bundesstaat Westbengalen, wo arme Landarbeiter unterstützt von linken Intellektuellen aus den Städten den Aufstand gegen Grundbesitzer und Regionalpolitiker wagten. Zentrum des Widerstands gegen "Unterdrückung und Ausbeutung" war das Dorf Naxalbari, dass der Bewegung zu ihrem Namen verhalf - bewaffnete Linksextremisten werden in Indien auch Naxaliten genannt. Zwar wurde die Revolte niedergeschlagen. Ziele und Ideologie fanden bald jedoch auch anderswo Anhänger, besonders in den wirtschaftlich rückständigen Regionen Zentral- und Ostindiens, aber auch im Süden des Landes.

Dort haben die Naxaliten ihren Einfluss kontinuierlich ausgebaut. Vor allem seit der Vereinigung der beiden größten Splittergruppen zur Kommunistischen Partei Indiens (Maoistisch) im Jahr 2004 wird immer häufiger vom "roten Korridor" berichtet, der sich von der nepalesischen Grenze bis in den südlichen Bundesstaat Tamil Nadu erstreckt. Nach Regierungsangaben operieren inzwischen etwa 20.000 bewaffneten Kader in 200 der 626 indische Distrikte.

"Grüne Jagd" auf Rebellen

Hauptgrund dafür ist nach Aussage von Suhas Chakma, Direktor des Asiatischen Zentrums für Menschenrechte in Neu-Delhi, die Armut in Regionen, die vom indischen Wirtschaftsaufschwung nicht profitierten oder sogar darunter litten. So seien in den vergangenen 60 Jahren fast zehn Millionen Menschen durch den Bau von Staudämmen, Bergwerken und Industrieanlagen vertrieben worden - viele davon ohne angemessene Entschädigungen. "Auch das treibt die Menschen in die Arme der Naxaliten, die ihnen Unterstützung versprechen", so Chakma.

Bereits 2006 räumte Premier Manmohan Singh ein, dass die schlechte soziale und wirtschaftliche Lage sowie mangelnde Zukunftsaussichten "zum Erstarken der Naxaliten-Bewegung" beigetragen hätten. Auch indische Medien bezeichnen den Konflikt in jüngster Zeit immer wieder als "Armutskrieg". Die zunehmende Eskalation der Gewalt - allein im vergangenen Jahr starben 1110 Menschen - hat die Ursachenforschung jedoch wieder weitgehend in den Hintergrund gedrängt.

Zwar bietet die Regierung Singh den Rebellen immer wieder Gespräche an, sollten diese die Gewalt stoppen. Gleichzeitig geht sie jedoch mit zunehmend harter Hand gegen sie vor. So wurde im Juni 2009 die Dachorganisation CPI-Maoistisch als terroristische Vereinigung verboten. Im November startete in den Maoisten-Hochburgen zudem die Großoffensive "Green Hunt" (Grüne Jagd), für die Zehntausende Sicherheitskräfte zusammengezogen wurden. Ziel ist es, die von Maoisten kontrollierten Regionen binnen drei Jahren zurückzuerobern. Mitte März nannte Innenminister Chidamabaram die Bedrohung durch Maoisten größer als die durch den radikal-islamischen Terrorismus.

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