Tarife:IG-Metall: Die Sieger-Gewerkschaft

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Abgesehen von "täglich Austern für alle" hat die IG-Metall so ziemlich alles durchgesetzt. Doch bei der anstehenden Tarifrunde sollte die Gewerkschaft vorsichtig sein.

Kommentar von Detlef Esslinger

Zumindest eines hat die IG Metall begriffen: dass sie an die bevorstehende Tarifrunde etwas anders herangehen sollte als an die vorhergehenden. Ende März läuft der bisherige Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie aus. 3,8 Millionen Menschen sind dort beschäftigt, es handelt sich um jene Branchen, die diese Volkswirtschaft tragen. Das Verhandlungsklima und das Ergebnis sind Jahr für Jahr prägend auch für die Tarifrunden, die noch folgen werden.

Der Vorstand der IG Metall hat der Gewerkschaft nun empfohlen, mit einer Forderung von "4,5 bis 5 Prozent" in die Verhandlungen zu gehen. Abgesehen vom Krisenjahr 2009 ist die Gewerkschaft damit so bescheiden wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das ist ein Signal, das diesmal vielleicht sogar fällig war.

Die bevorstehende Tarifrunde ist nicht ohne Tücken. Indem die IG Metall diesmal ausschließlich eine Geldforderung erhebt - und auf weitere Dinge wie Bildungsteilzeit oder mehr Altersteilzeit verzichtet -, macht sie die Verhandlungen einerseits sehr übersichtlich. Andererseits entfällt dadurch die Möglichkeit, bei der einen Forderung kompromissbereiter zu sein, wenn man dafür bei der anderen hinterher einen umso größeren Erfolg behaupten kann.

Diesmal setzt die IG Metall allein aufs Thema Geld - und da als Faustregel gelten kann, dass sie eine Forderung jeweils zu mehr als 50 Prozent durchsetzen will, vermag sich nun jeder selbst auszurechnen, welches Ergebnis die Gewerkschaft anstrebt. Die interessante Frage ist, wem sie damit einen Gefallen tut. Ihren Mitgliedern, den Arbeitnehmern? Kurzfristig freut sich jeder, wenn es ordentlich mehr Geld gibt - langfristig aber freut sich jeder, wenn es regelmäßig mehr Geld gibt.

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Die Garantie für Letzteres ist freilich weniger, dass die IG Metall jedes Mal prächtig kämpft und verhandelt - sondern, dass sie bei den Arbeitgebern weiterhin genügend Kampf- und Verhandlungspartner findet. Spätestens der Tarifabschluss vom vergangenen Jahr hat jedoch viel zu viele Arbeitgeber ins Grübeln gebracht, ob sie die Lohnfindung tatsächlich weiter ihren Verbänden überlassen sollen. 3,4 Prozent schlug die IG Metall damals mithilfe massiver Streikdrohungen heraus; insgesamt sind die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie in den zurückliegenden acht Jahren um 20 Prozent gestiegen. Abgesehen von täglich Austern für alle hat die Gewerkschaft so ziemlich alles durchgesetzt.

Eine Tarifverhandlung ist jedoch ein Geschäft, und nicht so etwas wie ein Tennismatch. Beim Tennis muss es Sieger und Verlierer geben; ein Geschäftsmann jedoch, der sich von seinem Geschäftspartner permanent besiegt fühlt, wird sich von diesem irgendwann abwenden - was in diesem Fall heißt: seine Mitgliedschaft im Tarifverband kündigen.

Die IG Metall hat in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Mittel der Tarifpolitik sehr erfolgreich Mitgliederwerbung betrieben. Was ihre Vertreter dabei jedoch eingebüßt haben: das Gefühl, dass nach einer Tarifrunde immer auch vor einer Tarifrunde ist.

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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