Hongkong:Mit gekreuzten Fingern gegen China

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Die Regenschirme sind in Hongkongs Parlament angekommen: Sechs Aktivisten wurden als Abgeordnete vereidigt, hier Leung Kwok-hung, genannt "Long Hair". (Foto: Anthony Wallace/AFP)

Aktivisten der Regenschirm-Revolution lösen Eklat in Hongkongs Parlament aus.

Von Christoph Giesen, Peking

77 Worte ist der Eid lang. Aufsagen müssen ihn am Mittwoch alle Abgeordneten des Hongkonger Stadtparlaments, die nun vereidigt werden. Yau Wai-ching tritt ans Pult. Sie ist eine von sechs jungen Mitgliedern der Demokratiebewegung, die im September überraschend in den Legislativrat gewählt worden sind.

"Ich, Yau Wai-ching, schwöre feierlich, dass ich gewissenhaft und treu zur Nation Hongkong stehe und alles tun werde, um die Werte Hongkongs zu verteidigen und schützen", sagt die 25-Jährige. Dann wird sie unterbrochen. Ein Beamter, der den Eid abnimmt, sagt, sie müsse die Prozedur wiederholen. Denn: In der Eidesformel stehe nichts von einer "Nation Hongkong", stattdessen heißt es dort langatmig: "Die Sonderverwaltungszone Hongkong der Volksrepublik China". Die Abgeordnete Yau muss also noch einmal ansetzen. Und das macht sie auch: "Die Sonderverwaltungszone Hongkong", hebt sie auf Englisch an, doch statt "People's Republic of China", nuschelt sie: "People's Refucking of Shina". Ein Eklat. Es wird nicht der Einzige an diesem Tag bleiben.

Auch Yaus Kollege, der 30-jährige Sixtus Leung, spricht von der "Nation Hongkong", er hat sich eine blaue Fahne über die Schultern gelegt, auf der steht: "Hongkong ist nicht China". Während er den Eid aufsagt, kreuzt er die Finger. Und schließlich ist da noch Nathan Law. Der 23-Jährige zitiert Mahatma Gandhi: "Ihr könnt mich anketten, mich foltern, sogar meinen Körper zerstören, aber ihr werdet niemals meine Gedanken einsperren", sagt er. Gemeint ist damit die Regierung in China. Ein mächtiger Affront für Peking.

Die Stadt, die wie keine in Asien für den Kommerz stand, hat sich verändert. Sie ist nun politisch

Seit Großbritannien die ehemalige Kronkolonie 1997 an China zurückgegeben hat, gilt für Hongkong eine Teil-Autonomie nach der Formel "Ein Land - zwei Systeme". Allerdings war den Hongkongern bei der Rückgabe in Aussicht gestellt worden, dass 2017 freie Wahlen in der Stadt stattfinden werden. Bisher sind es vor allem der Volksrepublik loyale Geschäftsleute, die den Verwaltungschef Hongkongs bestimmen.

2014 beschloss jedoch der Volkskongress in Peking, 2017 nur bedingt freie Wahlen zuzulassen. Infolgedessen gingen im Herbst 2014 Hunderttausende Hongkonger auf die Straße, vor allem Schüler und Studenten. Sie hielten die Innenstadt für Wochen besetzt, "Regenschirm-Revolution" wurde der zutiefst friedliche Protest damals genannt. Mit den Schirmen schützten sich die Demonstranten vor den Wasserwerfern und Tränengaskartuschen der Polizei.

Der Protest ebbte irgendwann ab. Doch Hongkong - die Stadt, die wie kaum eine andere Metropole in Asien für den Kommerz und das Geldausgeben stand - hat sich seitdem verändert. Sie ist politisch geworden, und die Protagonisten von der Straße sind zu Parlamentariern geworden. Die Mehrheit stellen sie natürlich noch lange nicht, das lässt das Wahlsystem nicht zu. Aber ärgern können sie Peking gewaltig.

Wie sehr sich die chinesische Führung vor den jungen Hongkonger Aktivisten fürchtet, wurde erst wieder vor ein paar Tagen deutlich. Da wurde der 19-jährige Joshua Wong, ein weiterer Anführer der Regenschirm-Revolution, auf Chinas Wunsch hin am Flughafen von Bangkok festgesetzt und schließlich abgeschoben. Das Büro des thailändischen Premierministers begründete das Vorgehen mit Sicherheitsbedenken. Wong sei in Widerstandsbewegungen aktiv gewesen. Sollte er diese Aktivitäten in Thailand wiederholen, könne das die Beziehungen des Landes zu anderen Regierungen gefährden. Pekings Arm ist lang.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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