Hongkong:Aus dem Parlament ins Gefängnis

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Aktivist Joshua Wong im Gefängnisbus beim Transport vom Justizgebäude in den Strafvollzug. (Foto: AP)

Ein Gericht in Hongkong verhängt monatelange Haftstrafen gegen drei Demokratie-Aktivisten der Regenschirmbewegung.

Von Kai Strittmatter, Peking

Drei Führer der Demokratiebewegung in Hongkong müssen ins Gefängnis wegen ihrer Rolle bei den Massendemonstrationen von 2014, die als Regenschirmbewegung bekannt wurden. Der 20-jährige Joshua Wong, der 24-jährige Alex Chow und der 26-jährige Nathan Law waren vor einem Jahr schon wegen "illegaler Versammlung" zu bis zu 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Ein Hongkonger Berufungsgericht folgte nun dem Antrag der Justizbehörde und verhängte Gefängnisstrafen: Joshua Wong muss für sechs Monate in Haft, Nathan Law, der bei den letzten Wahlen zum jüngsten Parlamentarier in der Geschichte Hongkongs gewählt wurde, bekam acht und Alex Chow, der Vorsitzende der Studentenvereinigung im Jahr 2014, sieben Monate.

Nach der Verurteilung schrieb Joshua Wong auf Twitter: "Sie können unsere Körper einsperren, aber nicht unseren Geist. Wir wollen Demokratie für Hongkong. Und wir werden nicht aufgeben." Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Urteil scharf. Sophie Richardson, die China-Direktorin von Human Rights Watch, nannte es "nackte politische Verfolgung". Mabel Au von Amnesty International Hongkong sagte, das Urteil rieche nach "politischer Rache": "Die wahre Gefahr für Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Hongkong ist die andauernde Verfolgung prominenter Demokratieaktivisten durch die Behörden." Kritik kam auch aus den USA, wo der republikanische Senator Marco Rubio den Schuldspruch einen Beweis dafür nannte, "dass Hongkongs Autonomie gefährlich erodiert".

"Wir leben noch immer in einem Kolonialsystem", sagt der nun verurteilte Aktivist Law

Die ehemalige britische Kronkolonie war 1997 wieder an China zurückgegeben worden. Peking hatte damals Hongkong für 50 Jahre Autonomie zugesagt. Viele Hongkonger sahen jedoch in den vergangenen Jahren diese Autonomie und ihre Freiheiten durch zunehmende Einmischung Pekings gefährdet. Hinzu kam große Unzufriedenheit vor allem unter der Jugend der Stadt über die Politik der von Peking ausgewählten Regierungschefs Hongkongs, die in den Augen vieler vor allem eine Politik für Peking und Hongkongs Superreiche machten. Der Frust brach sich im Herbst 2014 Bahn in den Regenschirmprotesten, friedliche Demonstrationen, die für mehr als drei Monate das Zentrum Hongkongs lahmlegten. Auslöser war die Forderung vor allem von Schülern und Studenten nach freier Wahl des Regierungschefs gewesen, auf die weder die Führung in Peking noch die in Hongkong einging. "Das Versagen der Politik ist ein Versagen des Systems", sagte der nun verurteilte Nathan Law in einem Interview mit der SZ vor einigen Wochen. "Die chinesische Regierung kooperiert mit den lokalen Tycoons! Sie haben das kapitalistische System der Stadt erfolgreich eingefroren. Wir leben noch immer in einem Kolonialsystem. Die Wohlstandskluft ist strukturell."

Die Anklage nun bezog sich auf einen Vorfall am 26. September, als einige Studenten über einen Zaun vor dem Hongkonger Parlament geklettert waren, um auf den "Civic Square" zu kommen. Der kleine Platz am Parlament war in der Vergangenheit öffentlich zugänglich und regelmäßig ein Ort für Demonstrationen, die Behörden hatten ihn jedoch im Sommer 2014 für die Öffentlichkeit gesperrt.

Wer zu mehr als drei Monaten Haft verurteilt wird, darf fünf Jahre nicht zur Wahl antreten

Die Verurteilung ist ein weiterer Rückschlag für das demokratische Lager in Hongkong. Im Juni hatte Chinas Präsident Xi Jinping die Stadt besucht und in einer scharfen Rede klargemacht, dass Pekings Geduld mit Andersdenkenden in Hongkong am Ende ist. Peking war offenbar alarmiert von den Erfolgen der Demokraten bei den Wahlen und der kleinen, aber lautstarken Strömung von Chinakritikern, die eine Unabhängigkeit Hongkongs fordern. Der Frust über Peking hatte bei den Wahlen im September 2016 dem demokratischen Lager einen überwältigenden Erfolg beschert - und eine ganze Reihe junger Aktivisten ins Parlament gespült. Hongkongs Regierung strengte Gerichtsverfahren gegen einige der Abgeordneten an, nachdem sie die feierliche Vereidigung zum Anlass genommen hatten, Protestworte gegen Peking unterzubringen. "Die Regierung in Peking hat den Demokraten in Hongkong den totalen Krieg erklärt", sagte Law der SZ damals. Ein Gerichtsentscheid vom Juli warf daraufhin vier von ihnen wieder aus dem Parlament: Nathan Law verlor seinen Sitz, das demokratische Lager seine Vetomacht.

Das Gericht wies die Vorwürfe einer politischen Justiz zurück. Bürgerrechtler sehen das anders. "Hier geht es nicht um die öffentliche Ordnung", sagte Sophie Richardson von Human Rights Watch. "Das ist ein politischer Schritt, um künftige Demonstranten abzuschrecken und um die drei aus dem Parlament zu halten." Wer zu Haftstrafen von mehr als drei Monaten verurteilt wird, darf in Hongkong für fünf Jahre bei keiner Wahl mehr als Kandidat antreten.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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