Steuerhinterziehung:Illusion der Hoeneß-Verachter

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Uli Hoeneß: Wer aus der Verachtungs-Fraktion möchte mit ihm tauschen? (Foto: dpa)

Nach dem Urteil gegen Uli Hoeneß fordern viele härtere Strafen für Steuersünder. Aber schärfere Gesetze haben noch keine Tat verhindert. Und würde wirklich jemand mit dem vermeintlich zu lax bestraften Uli Hoeneß tauschen wollen?

Ein Kommentar von Detlef Esslinger

Nach der Verurteilung von Uli Hoeneß melden sich nun zwei verschiedene Gruppierungen zu Wort: die Hochachtungs- und die Verachtungsfraktion. In beiden spiegelt sich, wie man in diesem Land mit Steuerhinterziehern und mit prominenten Straftätern umgeht.

Die Hochachtungs-Fraktion hört sich so an, als bejubele sie einen Verurteilten allen Ernstes schon dafür, dass er sich zum Gang ins Gefängnis bereit erklärt. "Mann von Format", sagt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. "Eine Tür beim FC Bayern ist immer offen", sagt Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, in seiner Eigenschaft als Repräsentant des Fußballklubs. Die Verachtungs-Fraktion hingegen nimmt den Fall zum Anlass, schärfere Regeln für Selbstanzeigen zu fordern. Damit will sie "unterstreichen, dass Steuerhinterziehung ein schweres Vergehen gegen die Allgemeinheit ist". So formuliert es Volker Kauder, der den Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU vorsteht.

Die Verachtungs-Fraktion handelt nach einem Muster, das aus zahllosen Kriminalitätsdebatten vertraut ist: Wann immer es einen spektakulären Fall gibt - egal ob Kindesmissbrauch, Korruption oder Flugzeugentführung -, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Politiker die Verschärfung einschlägiger Gesetze fordern - und zwar selbst dann, wenn sich bestehende Gesetze als bestens geeignet erwiesen haben, einen Täter zu finden und zu bestrafen. Der Ruf nach Gesetzesverschärfungen produziert immer dieselbe Illusion: dass man mittels Gesetzen eine Tat nicht nur sanktionieren, sondern sogar verhindern kann.

Falscher Ansatz in der Debatte

Die Steuerhinterziehungs-Debatte setzt falsch an. Man kann mit guten Argumenten der Ansicht sein, die strafbefreiende Selbstanzeige sei ein Fremdkörper im Strafrecht und gehöre deshalb abgeschafft, es gibt sie schließlich bei keiner anderen Straftat. Wer dieser Meinung ist, sollte das aber auch so sagen. Wer den Fremdkörper hingegen akzeptiert, weil ihm die unverhofften zusätzlichen Steuereinnahmen lieber sind als der Verzicht darauf - der sollte dann auch konsequenter sein als der CDU-Politiker Kauder. Dessen Aufgabe wäre es eigentlich, zur Selbstanzeige zu ermutigen statt abzuschrecken.

Was würde denn passieren, wenn jetzt tatsächlich der Strafzuschlag auf hinterzogene Einkommensteuern von fünf auf zehn Prozent erhöht würde, vom ersten hinterzogenen Euro an? Man muss nicht ausführlich Kosten-Nutzen-Analysen anstellen, um zu vermuten: Wenn die Kosten einer Selbstanzeige so enorm steigen, werden eher mehr als weniger Steuerhinterzieher darauf spekulieren, unentdeckt zu bleiben (was sie im Moment der Tat ja auch bereits hofften). Sie können sich zudem damit trösten, dass eine Entdeckung zumindest nicht derart gravierende Folgen hätte wie im Falle fast jeder anderen Straftat. Wie sagte Stoiber über Hoeneß? "Eine Tür steht immer offen."

Mit seinen Steuerhinterziehern geht das Volk einigermaßen gnädig um; gerade weil es - in Volker Kauders Worten - "die Allgemeinheit" ist, die geschädigt wird. Wer einen anderen um 28,5 Millionen Euro betrügt, ruiniert diesen sehr wahrscheinlich für alle Zeit. Er muss damit rechnen, über seine Strafe hinaus verstoßen zu bleiben. Wer aber 28,5 Millionen Euro Steuern hinterzieht, betrügt in Deutschland die Allgemeinheit um 0,00005 Prozent ihrer Einnahmen. Das muss bestraft werden - aber noch schärfer als jetzt schon? Mit allen Zuschlägen und Zinsen dürfte Uli Hoeneß auf mehr als 50 Millionen Euro kommen. Plus die Zeit im Gefängnis. Plus Rückzug vom Lebenswerk FC Bayern. Plus all die öffentliche Betrachtung. Wem aus der Verachtungs-Fraktion das noch nicht genug ist, dem würde der Steuerstraftäter Hoeneß übrigens gewiss gern anbieten, auch nur einen Tag mit ihm zu tauschen.

© SZ vom 17.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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