Hillary Clinton:Glück gehabt

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Passt sie ihre Worte dem jeweiligen Publikum an? Die demokratische Präsidentschaftkandidatin Hillary Clinton mit Ehemann Bill. (Foto: Joe Raedle /Reuters)

Enthüllungen über Clintons Nähe zur Wall Street gehen im Wirbel um ihren Rivalen beinahe unter.

Von Sacha Battyany

Zunächst sah alles danach aus, als stünde Hillary Clinton ein ungemütliches Wochenende bevor. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte am Freitag Auszüge aus ihren Vorträgen veröffentlicht, die sie vor Finanzmanagern hielt. Doch dann kam Donald Trump, besser gesagt sein Video, über das nun ganz Amerika spricht, und von dem es schnell hieß, es könnte ihn die Präsidentschaft kosten.

Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse ist bemerkenswert. Prompt gab es Stimmen, die argwöhnten, es müsse Hillary Clintons Stab gewesen sein, der das frauenverachtende Video von Trump den Medien zugespielt hätte, um von ihr abzulenken. Doch dafür gibt es bisher keine Beweise. Tatsache aber ist: Die Wikileaks-Enthüllungen gingen im ganzen Lärm um Donald Trumps Pussygate unter, obwohl sie durchaus von Brisanz sind, weil sie Clintons Zynismus entlarven.

Vor einer brasilianischen Finanzgruppe etwa, von der sie 225 000 Dollar Gage erhielt, sagte Clinton im Jahr 2013, sie träume von "freiem Handel und offenen Grenzen" in der westlichen Hemisphäre. Das sind Worte, wie man sie von ihr heute nicht mehr hört. Erst neulich in der ersten Fernsehdebatte, zeigte sie sich gegenüber internationalen Handelsverträgen sehr viel kritischer, wohlwissend, dass viele ihrer Wähler solche Abkommen verantwortlich machen für die Abwanderung von Arbeitsplätzen. 20 Millionen Dollar hat Hillary Clinton für ihre Vorträge vor Banken wie Goldman Sachs oder der Deutschen Bank in den Jahren 2013 bis 2015 erhalten. Für jemanden wie Hillary Clinton, die sich damals schon auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur vorbereitete, waren das riskante Auftritte. Denn die Wall Street ist auch rund zehn Jahre nach der Finanzkrise für viele Amerikaner noch ein rotes Tuch. Vor allem linke Wähler bezeichnen die Banker Manhattans als Verbrecher, die Millionen Amerikaner um deren Ersparnisse und Renten gebracht haben, und die für ihre Taten nie zur Rechenschaft gezogen wurden.

Bernie Sanders hatte im Vorwahlkampf immer wieder auf Clintons Nähe zur Wall Street aufmerksam gemacht und die Veröffentlichung der Redeprotokolle gefordert. Nun hat Wikileaks getan, wogegen sich Clinton stets sträubte, und einen Teil von rund 50 000 E-Mails von Clintons Wahlkampfmanager John Podesta publik gemacht. Podesta hat offenbar Clintons Reden prüfen lassen und sich mit seinen Mitarbeitern über kritische Stellen unterhalten. Diese E-Mail-Korrespondenz von Podesta wurde nun gehackt. Wikileaks teilte mit, man werde weitere Auszüge veröffentlichen.

Viele Wähler werden daran erinnert, wie schwierig es ist, Hillary Clinton zu trauen

Die bisherigen Dokumente beinhalten keine "Oktober-Überraschung", die Clinton zu Fall bringen könnte. Doch sie zeigen Clintons berechnende Haltung der Finanzwirtschaft gegenüber. Während sie vor Wählern die Macht der Banken immer wieder kritisiert, umschmeichelte sie im Jahr 2014 Mitarbeiter der Deutschen Bank mit dem Satz, Wall-Street-Insider wüssten wohl am besten, was an Bankenregulierungen nötig sei. Solche Sätze werden viele Wähler dran erinnern, wie schwierig es ist, Clinton zu vertrauen, von der es immer schon hieß, sie würde ihre Worte dem jeweiligen Publikum anpassen. Wie sehr die E-Mails Clinton schaden werden, ist aber nach diesem Wochenende offen. Ihr Glück ist, dass sich ihr Herausforderer Donald Trump gerade selbst schwer schadet.

Wenige Stunden vor der Veröffentlichung der E-Mails durch Wikileaks warf die US-Regierung der russischen Führung vor, sie stecke hinter den Hackerangriffen auf Computersysteme politischer Organisationen und Institutionen. Wegen des Ausmaßes und des Vorgehens der Hacker glauben die Amerikaner, dass nur Russlands "höchstrangige Beamte diese Aktivitäten erlauben konnten". Moskau nehme damit "Einfluss auf den laufenden Präsidentschaftswahlkampf", schrieben das Heimatschutzministerium und das Büro des nationalen Geheimdienstdirektors. Schon im Sommer war bekannt geworden, dass es zu Cyberattacken auf das Demokratische Nationalkommittee gekommen war. Auch damals wurde von russischen Hackern gesprochen. Wikileaks hatte die gehackten E-Mails von Mitgliedern des Parteivorstands der US-Demokraten veröffentlicht, aus denen hervorging, dass das Führungsgremium im Vorwahlkampf stark zugunsten von Hillary Clinton und gegen Sanders voreingenommen war. Die Enthüllungen hatten zum Rücktritt der Parteichefin Debbie Wasserman Schultz geführt. "Die erneute Veröffentlichung von E-Mails durch Wikileaks legt den Schluss nahe, dass man Hillary Clinton und den Demokraten gezielt schaden will", sagte David Plouffe, ein Politstratege, auf CNN. "Donald Trump könnte von den Enthüllungen eigentlich profitieren, wenn er nicht selbst in viel größeren Schwierigkeiten stecken würde."

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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