Hartz IV:Falscher Applaus

Das Urteil des EuGH korrigiert das eigentliche Problem nicht.

Von Wolfgang Janisch

Es ist im Moment nicht die Zeit, über ein sozialeres Europa zu reden. Man kann schon froh sein, wenn die EU sich ihre Grundfunktionen und ihre Mitglieder erhält. Und am neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Hartz-IV-Ausschluss von EU-Bürgern gibt es ohnehin wenig zu bemängeln: Dass jemand in Deutschland vom Tag der Ankunft an Leistungen beziehen soll, dafür gibt es nun wirklich keinen Grund.

Allerdings wird die jüngere Rechtsprechung zum Sozialhilfebezug für EU-Ausländer noch für einigen Streit sorgen. Denn während der EuGH zum Schutz der Sozialsysteme eine restriktive Linie fährt, hat das Bundessozialgericht einen Sozialhilfeanspruch ab dem sechsten Aufenthaltsmonat dekretiert. Bei den zahlenden Kommunen sorgte das für Aufregung. Sozialministerin Nahles hat bereits Korrekturen angekündigt.

Dabei hat das oberste Sozialgericht ein Grundsatzproblem angesprochen, das im allgemeinen Applaus über die EuGH-Urteile gern übersehen wird. Wenn man EU-Bürgern den legalen Aufenthalt in Deutschland erlaubt, dann wird man ihnen, wenigstens auf lange Sicht, ein Existenzminimum nicht versagen können. Denn es geht um ein Grundrecht, das laut Verfassungsgericht beispielsweise auch Asylbewerbern zusteht. EU-Bürger, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren können, mag man anders behandeln. Völlig ausschließen kann man sie nicht.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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