Hamburg:Entgleister Hafengeburtstag

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Bürgermeister Olaf Scholz rechtfertigt sich vor einem Sonderausschuss für die G-20-Krawalle. Hätte es Tote gegeben, wäre er zurückgetreten, sagt er.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Olaf Scholz war offenbar noch bester Dinge, als die Kanzlerin anrief. Sie würde den G-20-Gipfel gerne nach Hamburg holen, eröffnete Angela Merkel am 29. November 2015 dem Bürgermeister. "Ich hätte auch Nein sagen können", sagt Scholz jetzt, fast zwei Jahre später. Die Bundeskanzlerin hätte eine Absage zwar ignorieren können, denn Veranstalter war ja die Bundesrepublik Deutschland und Gastgeberin Frau Merkel. Aber er glaubt: "Sie hätte es akzeptiert." Doch Olaf Scholz war dafür, G 20 fand bekanntlich an der Elbe statt und wurde ein Desaster. So hat Scholz jetzt drei Termine, die zu den unangenehmeren seiner lange eher reibungslosen und inzwischen eher unruhigen Amtszeit gehören.

Dreimal soll der Hausherr im Rathaus erklären, warum das Treffen der Weltenherrscher im Juli 2017 dermaßen aus dem Ruder lief, und welche Rolle er dabei spielte. Dieser G-20-Sonderausschuss tagt im märchenhaften Festsaal, in dem Angela Merkel beim traditionellen Matthiae-Mahl im Februar 2016 verkündet hatte, dass G 20 in der Hansestadt stattfinden werde. Scholz saß bei dem Festessen damals bei Merkel und Großbritanniens Premier David Cameron - ferne Zeiten. G 20 sollte ein Höhepunkt seiner Karriere und der Stadtgeschichte werden. Stattdessen wurde es für ihn der Gipfel von mehreren Missgeschicken in Folge.

Zwischen dem Gipfel-Fiasko und dem Wahldebakel positioniert sich der SPD-Vize

Anfang 2015 hatte der SPD-Vize noch souverän seine zweite Wahl gewonnen. Er war eine Art König Olaf II. Ende 2015, kurz nach Merkels Anruf, ging dann das Olympia-Referendum verloren, trotz Scholz' Einsatz für die Spiele. Anfang 2017 versah das Verwaltungsgericht Leipzig eine Elbvertiefung mit Auflagen, nach mehr als zehn Jahren Streit. In der kommenden Woche steht eine neuerliche Verhandlung an - ein rascher Baubeginn ist nicht in Sicht. Im Sommer 2017 folgten die Krawalle bei G 20, obwohl Scholz G 20 vorher mit dem Hafengeburtstag verglichen und Sicherheit versprochen hatte. Das fliegt ihm seither um die Ohren. Im Herbst 2017 stürzte die SPD auch in ihrer Hochburg Hamburg ab: 23,5 Prozent. Unterbrochen wurde die Serie von der Eröffnung der Elbphilharmonie, die nicht zuletzt dem Retter Scholz zu verdanken war. Aber selbst das schöne Konzerthaus stand im Schatten, als Barrikaden brannten.

Zwischen dem Fiasko G 20 und dem SPD-Wahldebakel positioniert sich der Jurist Scholz nun. Das ist hochinteressant, auch für die SPD. Denn in den Nachwehen beider Pleiten meldete sich der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten kürzlich mit einem aufsehenerregenden Papier zu Wort. Darin fordert Scholz eine "schonungslose Betrachtung der Lage" bei der SPD, was vor dem Bundesparteitag im 9. Dezember als mehr oder weniger direkte Kritik an Parteichef Martin Schulz verstanden wurde.

Wenn es Tote gegeben hätte, wäre er zurückgetreten, sagt Olaf Scholz

Scholz gilt als zumindest möglicher Ersatz für Schulz, aber wahrscheinlich hat den Politiker Scholz kein anderer Moment seiner Karriere so getroffen wie dieses lange Wochenende von G 20. Er muss solchen Kontrollverlust hassen. Da litt seine Zuverlässigkeit, sonst sein Trumpf. Mehrmals hat sich Scholz inzwischen entschuldigt, auch am Donnerstagabend bei seinem ersten Auftritt vor dem bisher einschläfernden G-20-Sonderausschuss. Die meisten Argumente kannte man bereits. Er sei aus Überzeugung für G 20 in Hamburg gewesen und habe den Sicherheitsexperten vertraut. Es gebe eine staatspolitische Verantwortung, so einen Gipfel in einer Großstadt zu veranstalten. "Die sinnlose Zerstörung" und die Gewalt seien in dieser Form für ihn unerwartet und "sehr bedrückend" gewesen. Er wäre zurückgetreten, hätte es Tote gegeben.

Alles in allem reagierte der Politprofi in den vier Stunden Kreuzverhör so trocken und beherrscht, wie es seinem Wesen und seiner Erfahrung entspricht. Obwohl sich die Opposition vereinzelt bemühte, ihn zu reizen. "Zutiefst verletzt" sei die Stadt, wetterte der CDU-Fraktionschef André Trepoll und fragte, wie wichtig Scholz seine Glaubwürdigkeit sei. "Ich glaube, die meisten Bürger halten mich für einen glaubwürdigen Politiker", erwiderte Scholz. Bei Angela Merkel genießt er derzeit eventuell noch mehr Vertrauen als bei Martin Schulz.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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