Hacker:"Nicht grundsätzlich gegen den Staat"

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Linus Neumann, 33, ist Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC). Er arbeitet in Berlin als Berater für IT-Sicherheit. (Foto: oh)

Unter welchen - sehr seltenen Umständen - der Chaos Computer Club selbst Behörden helfen würde.

Interview von Ronen Steinke

SZ: Herr Neumann, was bedeutet es für die Hacker-Szene, wenn Methoden, die dort einst mit einem subversiven Anspruch entwickelt wurden, nun auch von Sicherheitsbehörden benutzt werden?

Linus Neumann: Grundsätzlich würde ich sagen, dass die Polizei teilweise gute Dinge damit macht. Beispielsweise fängt sie Pädophile im Netz, man muss deshalb beide Seiten sehen. Unangenehm wird es, wenn die Behörden damit die Privatsphäre der breiten Bevölkerung aushöhlen.

Als der Bundesinnenminister Thomas de Maizière kürzlich beim Chaos Computer Club anfragte, ob er in einem nationalen Cyber-Notfall auf Ihre Expertise zählen könne, da haben Sie ihn ausgelacht.

Ich will nicht pauschalisieren. Wir haben nicht grundsätzlich etwas gegen den Staat. Wenn es darum geht zu verhindern, dass Daten kompromittiert werden, steht der CCC mit seinem ehrenamtlichen Rat auch der Regierung zur Verfügung. Ich bin zum Beispiel mehrmals als Sachverständiger in den Bundestag gegangen. Aber die ethische Grenze verläuft für uns zwischen Verteidigung und Angriff. Gegen behördliche Angriffe auf Daten stellen wir uns quer.

Wenn der Staat Islamisten hackt, ist das "Verteidigung" - von Menschenleben.

Ich will nicht sagen, dass diese Fragen leicht sind. Man kommt da immer wieder in Zwickmühlen. Aber man muss das Gesamtbild betrachten. Wenn die Bundesregierung sich entscheidet, dass sie das Wissen über eine IT-Sicherheitslücke auf dem Schwarzmarkt aufkauft, um damit Islamisten auszuspionieren, dann ist die Folge, dass diese Sicherheitslücke fortbesteht - für alle 80 Millionen Bürger. Das ist ein hoher Preis, den die Gesellschaft zahlt. Mit dieser Sicherheitslücke können auch Kriminelle und fremde Geheimdienste alle Bürger ausspionieren.

Beim CCC sind zwei Leute Ehrenmitglieder, gerade weil sie sozusagen die Sicherheit von Daten kompromittiert haben. Die Whistleblower Chelsea Manning und Edward Snowden. Wollen Sie wirklich sagen, dass es Ihnen nur um Daten-Sicherheit geht und nicht auch um Politik?

Das eine sind Geheimnisse der Bürger. Das andere sind - schmutzige - Geheimnisse des Staates. Es macht einen Unterschied, ob man solche Geheimnisse an eine bestimmte Partei gibt, so wie das Geheimdienste tun. Oder ob man gesellschaftliche Missstände aufdeckt, indem man diese Geheimnisse an die Allgemeinheit gibt.

In den Anfangsjahren des CCC gab es Diskussionen, nachdem Einzelne aus der Hacker-Szene auf die Idee gekommen waren, ihr Know-how dem KGB anzubieten.

Ja, die Gruppe wäre fast zerbrochen damals. Das wirkt bis heute nach, wenn wir unsere Hacker-Ethik vertreten, geprägt von Liberalität, Dezentralisierung und Misstrauen gegenüber Autoritäten.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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