Guido Westerwelle:Der Weltstaatsmann

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Der Papst! Israel! EU-Ministertreffen! Seit seiner Ministerwerdung ist Guido Westerwelle von sich so begeistert, dass er als Politiker kaum mehr auffällt - siehe Kundus-Affäre.

Kurt Kister

Seit dem Antritt der schwarz-gelben Regierung ist manches gleich geblieben und manches hat sich verändert, wenn auch nicht unbedingt zum Besseren. Angela Merkel zum Beispiel ist immer noch die tendenziell unentschlossene Kanzlerin, die es am liebsten mag, wenn sich die Dinge selbst richten, im besten Fall nach ihrem Willen. Sie hat sich wenig verändert, auch wenn ihr Frank-Walter Steinmeier von gestern nun ihr Guido Westerwelle von heute ist.

Ein Pressestatement vom Außenminister: Guido Westerwelle vor dem Capitol in Washington im November dieses Jahres. (Foto: Foto: dpa)

Westerwelle ist eifrig und mit schnellem Schritt in die Fußstapfen Steinmeiers getreten. Er hat nicht nur all diese bedeutenden Ämter geerbt - Außenminister, Vizekanzler - , sondern er hat sich auch, genauso wie weiland Steinmeier, bevor er Kanzlerkandidat wurde, dem innenpolitischen Kleinklein enthoben. Westerwelle ist mit großen Augen und erheblicher Begeisterung über sich selbst sowie über die Vielfältigkeit der Welt - der Papst! Israel! EU-Ministertreffen! - so sehr Außenminister geworden, dass er als Politiker kaum mehr auffällt.

Doch, dies ist eine erhebliche Veränderung. Westerwelle war über Jahre hinweg so etwas wie der Igel, der immer schon da war, bevor die Hasen auch nur losliefen: Morgens im Deutschlandfunk, mittags im Bundestag, abends in allen möglichen Talkshows von Hart, aber Fair bis Eitel, aber geschwätzig. Westerwelle wusste zu fast allem alles, und wenn er im Bundestag redete, dann ging es stets nicht nur zur Sache, sondern gerne auch ad personas.

Seit seiner Ministerwerdung könnte man nun fast glauben, die FDP bestehe aus lauter Leuten, die man vorher kaum gesehen hat, die aber alle so reden und zum Teil auch so aussehen, als hätten sie den alten Westerwelle noch gut gekannt, egal ob sie Philipp Rösler, Cornelia Pieper oder Christian Lindner heißen. Der Meister selbst ist meistens nur noch an irgendwelchen Pulten fern in der Welt zu sehen, wo er staatsmännisch herumdiplomatisiert und insgesamt so wirkt, als habe man ihm am Werderschen Markt ein Brett eingebaut.

Es gibt schließlich keine Ministerialbürokratie, die sich ihren Minister so gut und so schnell erzieht wie die Damen und Herren des Auswärtigen Dienstes. Wenn Westerwelle, früher ein ernsthaft guter Parlaments-Debattierer, heute im Bundestag redet, hört er sich an wie die menschgewordene Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er regt sich eigentlich nur noch auf, wenn es jemand wagt, während einer seiner weltbedeutenden Reden Zeitung zu lesen.

Die Probe aufs Exempel ist die Kundus-Affäre. Zu schwarz-roten Zeiten wäre Westerwelle da dreingefahren und hätte Attacken gegen nahezu jedermann und Verdächtigungen gegen alle gerichtet. Heute weiß man nicht einmal so recht, welche Meinung Westerwelle zu Afghanistan oder gar dem Jung-Guttenberg-Klein-Komplex hat. Man weiß es nicht nur nicht, es interessiert auch kaum einen Menschen, nicht einmal in der FDP. Was für einen Unterschied so ein Amtseid ausmachen kann.

© SZ vom 24.12.2009/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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