Grüne:Unter Erwachsenen

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Die Partei will die Koalition "kritisch-konstruktiv" begleiten.

Von Constanze von Bullion

Sie wollen raus aus vertrauten Mustern und die Regierung nicht einfach nur aus der Opposition heraus beschimpfen. Fairness vorleben, gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern, dem politischen Gegner auch mal zum Erfolg gratulieren - all das gehört zum neuen Gestus, mit dem die Grünen der Regierung von Union und SPD begegnen wollen. Gleichzeitig allerdings, und hier kommt schon das Aber, wollen die Grünen dringlich vermeiden, Profil zu verlieren und überhört zu werden vor lauter Nettigkeit. Denn die Partei, die nur zu gern regiert hätte, ist jetzt kleinste Oppositionspartei im Bundestag. Am Montag in Berlin experimentierte man also schon mal mit einer Mixtur aus Großmut, Angriffslust und eher mildem Spott.

"Aus meiner Sicht hat die Koalition eine 100-Tage-Bewährungsfrist verdient", sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. "Bewährung bedeutet für uns auch: Man leistet intensive Unterstützungshilfe für diejenigen, die es selber nicht aus dem Quark geschafft haben." Baerbock, die erst seit wenigen Wochen im Amt ist und am Montag als einzige der Parteivorsitzenden in Berlin allein, also ohne den grünen Co-Piloten Robert Habeck, vor die Hauptstadtpresse trat, kündigte eine "kritisch-konstruktive Opposition" an.

Insbesondere in der Klimapolitik, aber auch bei der Digitalisierung habe die Koalition große Lücken gelassen, so Baerbock. "Ein Bekenntnis allein zu Breitbandausbau führt nicht dazu, dass man in den ländlichen Regionen auch Dinge aus dem Internet herunterladen kann oder das Netz funktioniert." Sie kenne die Probleme nur zu gut aus Brandenburg, wo ihr Wahlkreis liege. Union und SPD erweckten den Eidruck, jeder habe ein Recht auf schnelles Internet, so Baerbock. Tatsächlich müsse hier "insbesondere die Finanzierung" deutlich verbessert werden, etwa durch Verkauf staatlicher Telekom-Anteile.

Zukunftsthemen besetzen, das Image der Besserverdienerpartei loswerden und neben der ökologischen auch soziale Kompetenz entwickeln - das ist kurz gesagt die grüne Oppositionsstrategie. Anders als bisher rückt die Partei nun Gerechtigkeitsthemen stark in den Vordergrund. Sie fordert, den Kinderzuschlag für bedürftige Familien direkt auszuzahlen, damit mehr Familien davon profitieren. Das Kindergeld soll nicht länger auf Hartz IV angerechnet werden, da ärmere Familien sonst von Kindergelderhöhungen nichts hätten. Schulen und Kitas müssten viel besser ausgestatten werden. "Integration fällt nicht vom Himmel. Sie muss ausfinanziert und vor Ort gelebt werden", sagte Baerbock.

Selbstverständlich wurde auch der neue Innenminister Horst Seehofer (CSU) gewürdigt. Sie erwarte, "dass er sich intensiv in seine Materie als Innenminister einarbeitet und nicht weiter das bayerische Rumpelstilzchen gibt", sagte Baerbock. Seehofer hatte einen "Masterplan" für konsequentere Abschiebungen angekündigt und erklärt, es dürfe in Deutschland keine rechtsfreien Räume mehr geben. Seehofer suggeriere, in der Justiz werde mit zweiererlei Maß gemessen werde, so die Grünen-Chefin. "So etwas schürt Unsicherheit." Wer Straftäter schneller abschieben wolle, brauche "vernünftige Abkommen" mit Herkunftsstaaten, etwa im Maghreb. Es ist nicht allzu lange her, da wäre bei derlei Tönen ein Aufstand losgebrochen bei den Grünen.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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