Griechenland:Geflohener Terrorist droht Regierung

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Griechenland: Linksterrorist Christodoulos Xiros kündigt neue Gewalttaten an. (Foto: Orestis Panagiotou/dpa)

Sechs Mal lebenslange Haft, dazu wurde Christodoulos Xiros verurteilt. Doch seit einem Freigang ist der griechische Linksterrorist verschwunden. Nach einer Video-Drohung geht in Athen die Angst um, auch weil Xiros nicht der Einzige ist, der die Polizei an der Nase herumführt.

Von Christiane Schlötzer, Athen

Zäune und Absperrgitter durchziehen den Athener Nationalgarten. Mitten drin das Zappeion, ein prächtig restaurierter, klassizistischer Bau, in dem am Donnerstag die Innen- und Justizminister der EU tagten. Griechenland hat die Ratspräsidentschaft inne, und die Regierung hat die Sicherheitsmaßnahmen auf das Niveau wie zu Zeiten der Olympischen Spiele von 2004 hochgesetzt. Der Grund: Die Behörden haben Angst vor Anschlägen, seit Christodoulos Xiros, ein zu sechs Mal lebenslanger Haft verurteilter Linksterrorist wieder auf freiem Fuß ist.

Wie es dazu kam, ist schon ein Skandal für sich. Der 55-Jährige hatte Anfang des Jahres neun Tage Hafturlaub erhalten. Er sollte sich lediglich täglich auf einem Polizeirevier am Wohnort seiner Familie auf der Halbinsel Chalkidiki in Nordgriechenland melden. Seit dem 5. Januar ist er unauffindbar. Das letzte, was sein Vater, ein orthodoxer Priester, angeblich von ihm hörte, war: "Ich mache einen Spaziergang am Strand."

Innenminister Nikos Dendias hat nun eine Belohnung von vier Millionen Euro ausgesetzt, für Informationen, die zur Ergreifung von Xiros und zwei weiteren Terroristen führen. Denn Xiros ist nicht der Einzige, der die griechische Polizei derzeit an der Nase herumführt.

27 Jahre unentdeckt

Seit Juli 2002 war Xiros im Athener Hochsicherheitsgefängnis Korydallos inhaftiert, verurteilt wegen Mitgliedschaft in der Terrorgruppe "17. November", der griechischen RAF, und der Beteiligung an sechs Mordtaten. In Korydallos hatte der Mann offenbar Gelegenheit, sich ungehindert mit Mitgliedern anderer, jüngerer Terrorgruppen zu treffen. Man feierte auch gemeinsam Silvester. Justizminister Haralambos Athanasiou hat deshalb nun die Gefängnischefin versetzt.

Während seines Besuchs in Washington musste sich Außenminister Evangelos Venizelos in der vergangenen Woche von seinem Kollegen John Kerry unangenehme Fragen gefallen lassen. Schließlich waren mehrere der 23 Mordopfer des 17. November Amerikaner, darunter ein Militärattaché, ein Flottenkapitän und ein CIA-Repräsentant. Bei weiteren Anschlägen wurden mehrere US-Soldaten verletzt. Andere Opfer waren Unternehmer, Reeder, Banker, Diplomaten und der Journalist Pavlos Bakoyannis, Ehemann der Politikerin Dora Bakoyanni. Die Terrorserie hatte 1975 begonnen, 27 Jahre lang kam die griechische Polizei der Mördertruppe nicht auf die Spur. Das geschah erst, als sich ein Bruder von Xiros 2002 mit Sprengstoff verletzte. Da hatte sich aber schon Scotland Yard in die Ermittlungen eingeschaltet und alte Beweisstücke neu untersucht. Auslöser dafür war der Mord an dem britischen Militärattaché Stephen Saunders im Juni 2000.

Scotland Yard und das FBI sind laut der Zeitung Kathimerini nun erneut an der Jagd nach Xiros beteiligt. Als Kerry besorgt nach dem Verbleib des Terroristen fragte, hatte der noch gar nicht mit neuen Anschlägen gedroht. Zu Beginn dieser Woche tauchte Xiros schließlich auf der Website von Indymedia Griechenland in einem Video auf und verkündete in altbekannter Großspurigkeit, die "Waffe der Rebellion" werde erneut "widerhallen". Die Polizei nimmt die Drohung sehr ernst.

Dieselbe Website hatte 2011 Bekennerschreiben der linksextremistischen "Verschwörung der Feuerzellen" nach dem Verschicken von Paketbomben veröffentlicht. Mit Leuten dieser Gruppe hatte sich Xiros im Gefängnis Korydallos offenbar gut verstanden. Ausgerechnet Alexandros Giotopoulos, 70, der einstige Chef des 17. November, fragte in einem Brief an die Zeitung Eleftherotypia nun aus der Zelle heraus, wieso Xiros dort "freien Zugang" zur Anstaltsleitung und zu den "Feuerzellen" gehabt habe? Noch eine Figur der alten Terrortruppe meldete sich schriftlich: der ebenfalls lebenslang einsitzende Dimitris Koufodinas. Der 17. November sei aufgelöst, ließ er wissen, ihn auferstehen zu lassen, sei unmöglich. Koufodinas bemühte Karl Marx: "Die Geschichte wiederholt sich als Farce."

Granate auf die US-Botschaft

Schon seit Juli 2012 werden zudem Nikos Maziotis und seine Frau Panagiota Roupa gesucht. Sie gehören einer weiteren Extremisten-Organisation an. Die feuerte 2007 eine Granate auf die US-Botschaft in Athen ab. Die beiden waren 2011 während ihres Prozesses nach dem Maximum von 18 Monaten Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt worden. Dass sie sich nicht wie verlangt bei der Polizei meldeten, war zuerst gar nicht bemerkt worden.

Die Belohnung gilt auch für die Ergreifung der unbekannten Täter, die 2013 zwei Mitglieder der Neonazipartei Chrysi Avgi getötet haben. Sie werden auch im linksextremen Spektrum vermutet - ebenso wie die Urheber des Anschlags auf die Residenz des deutschen Botschafters in Athen, bei dem mehrere Kugeln in einem Schlafzimmer einschlugen, ohne jemand zu verletzen.

© SZ vom 24.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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