Gesellschaft:Deutsche sind für volle Gleichstellung von Homosexuellen

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Allerdings hätten laut einer Umfrage 40 Prozent der Befragten Probleme damit, wenn sich das eigene Kind als schwul oder lesbisch outete.

Von Christian Endt, Berlin

Die große Mehrheit der Deutschen befürwortet die vollständige Gleichstellung von Homosexuellen. Im Alltag gibt es dagegen weiter zahlreiche Vorbehalte gegen Lesben und Schwule. Das geht aus einer am Donnerstag vorgestellten repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor.

83 Prozent wollen demnach, dass Homosexuelle ganz regulär heiraten können. Die eingetragene Partnerschaft, die im Gegensatz zur Ehe kein Adoptionsrecht beinhaltet, sei ein "Irrweg", sagte Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. In 13 europäischen Ländern habe man das schon eingesehen. In Deutschland scheitert die "Ehe für alle" bisher am Widerstand der Union. Die SPD sei bereit, sie noch in diesem Jahr einzuführen, sagte Vizeparteichef Thorsten Schäfer-Gümbel der Nachrichtenagentur AFP. Knapp 80 Prozent der Deutschen sind dafür, homosexuelle Paare auch bei einer künstlichen Befruchtung zu unterstützen. 18 Prozent stimmen der Aussage zu, Homosexualität sei "unnatürlich". Eine Mehrheit teilt die Forderung, nach dem Schwulenparagrafen verurteilte Männer zu rehabilitieren und zu entschädigen. Bis zur vollständigen Abschaffung des Straftatbestands 1994 gab es 53 000 Urteile wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen.

Deutlich zurückhaltender fallen die Ergebnisse der Studie aus, wenn es statt um grundlegende Fragen um konkrete Lebenssituationen geht. So finden es 28 Prozent unangenehm, wenn sich zwei Frauen in der Öffentlichkeit küssen, bei zwei Männern finden dies sogar 38 Prozent. Mit einem öffentlichen Kuss von Mann und Frau haben dagegen nur elf Prozent ein Problem. Homosexuellen Arbeitskollegen gegenüber sind die allermeisten Teilnehmer der Umfrage gleichgültig bis positiv eingestellt. In der eigenen Familie wollen die Menschen aber lieber nichts damit zu tun haben: Vierzig Prozent fänden es sehr oder eher unangenehm, wenn sich das eigene Kind als lesbisch oder schwul outen würde.

81 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass Homo- und Bisexuelle in Deutschland benachteiligt werden. Eine Zahl, die Lüders mit Beispielen aus der Arbeit ihrer Behörde untermauert. Sie nannte den Fall eines Mannes, dem nach einem Outing die geplante Einstellung als Geschäftsführer verweigert wurde. In einem anderen Fall sei ein schwuler Mann von Kollegen gezwungen worden, Damenkleidung am Arbeitsplatz zu tragen. Ein lesbisches Paar habe keine Wohnung gefunden; zwei schwule Männer hätten sich in einer Hotellobby geküsst und seien daraufhin aus dem Haus geworfen worden. "Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen ist immer noch alltäglich", sagte Lüders. Auch an den Schulen sei das ein Problem; auf vielen Pausenhöfen sei etwa "schwule Sau" eine übliche Beleidigung.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes entstand 2006 mit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und berät vor allem von Diskriminierung Betroffene. Die Behörde ist dem Familienministerium zugeordnet, arbeitet aber unabhängig.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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