Gerichtsprozess wegen Mafiaverbindungen:Berlusconi-Vertrauer flüchtet - und wird im Libanon festgenommen

Lesezeit: 1 min

Ihm werden Kontakte zur Mafia nachgesagt: Tagelang gilt Marcello Dell'Utri, ein Vertrauter des früheren Regierungschefs Berlusconi, als unauffindbar. Jetzt ist klar: Der Ex-Politiker hat sich in den Libanon abgesetzt - wohl deshalb, weil er einer Verurteilung entgehen wollte.

Tagelang ist Marcello Dell'Utri verschwunden. Der Vertraute des ehemaligen Regierungschefs Silvio Berlusconi tauchte offenbar unter, um einer Gerichtsverhandlung zu entgehen. Gegen ihn läuft ein Berufungsprozess wegen des Verdachts auf Mafia-Verbindungen. Am Dienstag kommender Woche soll das Urteil der höchsten Berufungsinstanz fallen.

Am Samstag schließlich ist Dell'Utri jetzt in einem Luxushotel in Berut festgenommen worden. Der 72-Jährige befinde sich derzeit in Polizeigewahrsam in Beirut, sagte der italienische Innenminister Angelino Alfano.

Einen Tag vor seiner Festnahme stellte Dell'Utri das Verlassen seines Heimatlandes als völlig harmlos da. Er wolle sich nicht verstecken, ließ er in einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung wissen. Er sei lediglich "für eine Zeit der medizinischen Behandlung und Erholung im Ausland".

Weil Dell'Utri in Italien nicht auffindbar war, hatte ein Gericht am Freitagabend im sizilianischen Palermo einen europäischen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt. Der gilt in in allen Ländern der Europäischen Union und den Ländern, mit denen Italien Auslieferungsabkommen geschlossen hat. Laut Medienberichten ist dies jedoch beim Libanon nicht der Fall. Zudem soll das Land Dell'Utri einen Diplomatenpass ausgestellt haben.

Für Dell'Ultri, der von 1996 bis 2013 für Berlusconis konservatives Bündnis im Parlament saß, ist der aktuelle Prozess nicht das erste Mal, dass er sich wegen angeblicher Mafia-verbindungen vor Gericht verantworten muss: Bereits in einer vorherigen Instanz wurde Dell'Utri im März vergangenen Jahres bereits zu sieben Jahren Haft verurteilt.

In der Urteilsbegründung des Gerichts in Palermo hieß es damals, der Angeklagte habe "als Vermittler eines Paktes zwischen Silvio Berlusconi und der Mafia" fungiert. Demnach genoss der Cavaliere zwischen 1974 und 1992 gegen Bezahlung großer Bargeldsummen den Schutz der Cosa Nostra.

Marcello Dell'Utri war über lange Jahre einer der wichtigsten Vertrauten des ehemaligen Regierungschefs. Die beiden lernten sich schon zu Studienzeiten kennen, Dell'Utri übernahm später wichtige Funktionen in Berlusconis Firmenimperioum und half ihm auch, Anfang der neunziger Jahre die politische Bewegung "Forza Italia" zu gründen, mit der Berlusconi sich die politische Macht in Italien sicherte.

Dell'Utris Verschwinden löste in Italien heftige Reaktionen aus. Der linksgerichtete frühere Staatsanwalt Ignazio Ingroia sagte, es sei "eine Schande und ungehörig für ein zivilisiertes Land", dass Dell'Utri habe untertauchen können.

Innenminister Alfano sagte, die Regierung in Rom werde nun Dell'Utris Auslieferung beantragen, wie es "natürlich und logisch ist".

© AFP/dpa/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: