Fußball:Ethik und Elfmeter

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Messi schießt einen listigen Strafstoß und löst damit eine Debatte aus: Darf man das? Die Antwort findet man am besten beim Rückblick auf Fußballgrößen wie Beckenbauer und Cruyff.

Von JAVIER CÁCERES

Es hat eine gewisse Tradition, über Fragen der Etikette, der Ethik und der Moral auf dem Fußballplatz zu streiten. Nicht wenige dieser Debatten ranken sich um Elfmeter, die Brasiliens Legende Edson Arantes do Nascimento, besser bekannt unter dem Alias Pelé, vor Jahrzehnten als "eine feige Art, ein Tor zu erzielen", verdammte. Dass Pelé den tausendsten seiner insgesamt 1281 Treffer dann per Strafstoß erzielte, war eine schöne Pointe, die freilich nichts mit einer neuen Elfmeterdebatte zu tun hat; diese entzündete sich am Sonntagabend in Spaniens Liga am Argentinier Lionel Messi.

Beim Stand von 3:1 gegen Celta de Vigo (Endstand 6:1) holte der beste Spieler der Welt einen Elfmeter heraus, trat selbst an - und schoss dann den Ball nicht aufs Tor, sondern legte ihn quer. Stürmer Luis Suárez kam von hinten angelaufen und jagte ihn ins Netz. Seither tobt eine mediale Debatte: Darf man das? Oder ist es, wie die Zeitung Marca meinte, "eine Respektlosigkeit gegenüber dem Gegner"?

Zumindest der Blick ins Regelbuch lässt keine Zweifel zu: Nach den Regeln ist eine indirekte Ausführung absolut erlaubt. Messi und Suárez waren auch nicht die Ersten, die einen Elfmeter im Duo ausführten. Als Pioniere gelten die Nordiren Danny Blanchflower und Jimmy McIlroy, sie brachten den (später von Franz Beckenbauer und Georg Schwarzenbeck bei einem Testspiel in Straubing plagiierten) Bauerntrick bei einer WM-Qualifikationspartie gegen Portugal zur Aufführung. Das war 1957. Weit berühmter ist ein Elfmeter aus dem Jahr 1982, weil einer der Protagonisten der große Johan Cruyff war: Er spielte bei Ajax Amsterdam nach einem Elfmeterpfiff Doppelpass mit Jesper Olsen. Dass diese Form der Elfmeter-Ausführung alles andere als feige ist, steht seit der englischen Premier-League-Saison 2005/2006 fest. Die französischen Welt- und Europameister Robert Pires und Thierry Henry, damals beim FC Arsenal, müssen bis heute Häme ertragen, weil sie bei einem Duo-Elfmeter gegen Manchester City peinlich versagten.

Bei Celta de Vigo kam am Sonntag übrigens nicht das Gefühl auf, veralbert worden zu sein. "Mich schmerzt die Anzahl der Gegentore; nicht die Art, wie sie zustande kamen", sagte Celtas Trainer Eduardo Berizzo. Offen ist, ob Messi einen derartigen Elfmeter auch beim Stand von 0:0 riskiert hätte. Vielleicht schon, denn Barcelona hat in dieser Saison sechs von 14 Elfmetern auf klassische Art verschossen, nun trafen sie durch einen Elfmeter, den die Zeitung El País als "lyrisch" adelte. Auch der argentinische Fußball-Weise Jorge Valdano schmachtete: "Messi und Suárez haben einen gewöhnlichen Sonntag unvergesslich gemacht."

Andererseits: Man könnte genauso gut sagen, dass die beiden einen erinnerungswürdigen Tag erst zerstörten. Denn: Die Anekdote des unorthodoxen Elfmeters überstrahlte Messis kolossale Leistung; er besiegte das vorzügliche Team aus Vigo im Alleingang: Er traf per Freistoß wie Maradona, organisierte das Team wie Di Stéfano und erlaubte sich mit dem Duo-Elfmeter eine Hommage an Cruyff. Anders gesagt: Messi ist wieder in der Form, in der man meint, er sei auf die Welt gekommen, um alles, was in der Fußballgeschichte dagewesen ist, auf den Punkt zu bringen.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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