Führungswechsel bei der Deutschen Bank:Ein neuer Chef ist nicht genug

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Dunkle Wolken über der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. (Foto: dpa)

Selbst konservative Mittelständler machen Witze auf Kosten des Instituts. Nichts scheint dem Image der Deutschen Bank helfen zu können. Ein neuer Chef soll jetzt die Rettung bringen. Dabei bräuchte die Bank einen kompletten Neuanfang.

Von Marc Beise

Immerhin beim Timing ist der Deutschen Bank ein Scoop gelungen: Dass die beiden Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen - zeitversetzt - ihre Jobs verlieren, wurde buchstäblich zur selben Stunde bekannt wie der Rückzug des wichtigsten und bekanntesten Politikers der Linkspartei, Gregor Gysi. Die kapitalismuskritischste Partei im Deutschen Bundestag häutet sich - genauso wie das erzkapitalistischste Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Manchmal ist es der Zufall, der die schönsten Geschichten schreibt. Vom Timing abgesehen glückt der Deutschen Bank, die in der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte eine so wichtige Rolle gespielt hat, derzeit wenig. Auch der überhastete Führungswechsel ist verkorkst. Die Bank ist mit der Aufarbeitung von allerlei Skandalen beschäftigt und sucht fast hilflos ein neues Geschäftsmodell. Was sie jetzt bräuchte, wäre radikal: ein umfassender Neuanfang, tabula rasa. Das aber wird sie nicht bekommen. Dabei hatten die Kontrolleure der Bankführung um den Aufsichtsratschef Paul Achleitner doch Zeit, sich auf diese Situation vorzubereiten. Schon seit vielen Monaten arbeitete die bisherige Führung auf Abruf. Die großen Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, die das Spitzenduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen beim Amtsantritt vor drei Jahren selbst formuliert hatten. Hier Jain, der gefeierte Investment-Star aus London. Dort Fitschen, die gute Seele der deutschen Fraktion dieses Weltkonzerns. Gemeinsam wollten sie die Bank aus den Schlagzeilen holen und Mitarbeiter und Investoren begeistern. Das gelang ihnen nie wirklich. Das Geldhaus war einmal die Hausbank der deutschen Wirtschaft. Im Laufe seiner Internationalisierung und später massiv mit der Finanzkrise im Jahr 2007 wurde es mehr und mehr als Zockerbank wahrgenommen. Das neue Spitzenduo unternahm den durchaus ernst gemeinten Versuch, einen "Kulturwandel" hinzubekommen. Der ist aber nie wirklich geglückt. Das Image der Bank ist verheerend, nicht nur bei den Wählern der Linkspartei. Auch in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft ernten die Frankfurter Unverständnis. Selbst konservative Mittelständler geizen nicht mit Hohn und Spott.

Nichts half, nicht der Umbau des Vorstandes, nicht die Verteidigungsreden der beiden Chefs auf der Hauptversammlung, nicht der geplante Verkauf der Postbank. Immer wieder wurde ein Befreiungsschlag versprochen, der dann nicht kam oder nicht glückte. Die Reform - sie konnte ja auch nicht gelingen.

Jürgen Fitschen wird zur lame duck

Zwar haben die beiden an der Spitze die Bank ein Stück weit solider geführt, als dass 2012 vorhergesagt wurde. Aber die große Reform scheiterte am immer gleichen Problem: In Anshu Jain stand ausgerechnet jener Mann an der Spitze, in dessen Bereich sich all die Verwerfungen entwickelt hatten, derentwegen gegen die Bank ermittelt wird. Das hat dem Haus schon mehrere Milliarden Euro gekostet. Jain selbst ist bis heute nichts nachzuweisen, aber die Verantwortung lag bei ihm. Das räumte er zwar mehrfach öffentlich ein, doch vor der letzten Konsequenz scheute er bisher zurück. Nun begeht die Bank den nächsten Fehler: Anstatt nun aber wirklich neu anzufangen, darf Co-Vorstand Jürgen Fitschen vorübergehend im Amt bleiben. Er wird als lame duck aber keine Akzente setzen können und ist zusätzlich belastet durch den Gerichtsprozess in München, wo ihm der Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs gemacht wird. Ihn im Amt zu halten mit dem Hinweis, er könne den künftigen Alleinherrscher, der angesehenen britischen Bankmanager John Cryan, einarbeiten - das ist ziemlich um die Ecke gedacht. Mit den neuen Personalentscheidungen wird das alte System wenigstens vorerst fortgesetzt: hier der international geprägte Manager mit britischen Pass, der in der Welthochfinanz zu Hause ist; dort der in der Bank aufgestiegene Traditionalist. Damit vertagt die Deutsche Bank eine Entscheidung, um die sie auf Dauer aber nicht herumkommen wird: Will sie weiter die Bank der deutschen Wirtschaft sein, durchaus international orientiert, aber an die Realwirtschaft gekoppelt? Will sie das Vertrauen der deutschen Konzerne und der Weltmarktführer zurückgewinnen und deren Partner in der Welt sein, wie es der Name "Deutsche Bank" immer noch suggeriert?

Chefs der Deutschen Bank
:Fitschen und Jain werden abgelöst

Magere Zahlen, ein zaghafter Strategiewechsel und regelmäßige Termine vor Gericht: Nach Jahren in der Kritik wollen sich die Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, aus der Konzernspitze zurückziehen. Ein Nachfolger steht bereits fest.

Von Meike Schreiber

Oder kappt sie die heimischen Wurzeln und wird zu einem wahrhaft globalen Spieler, einem Konzern, der sich zwischen London, New York, Tokio und Hongkong bewegt und das ganze große Rad dreht? Für die zweite, die globale Option spricht, dass auf diesem Markt das große Geld verdient wird. Dagegen spricht, dass die Deutsche Bank dort eben immer noch ein kleiner Spieler wäre. Die deutsche Option ist bescheidener - und gerade deshalb nachhaltiger. Nun muss man sich endlich entscheiden in Frankfurt.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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