"Fuck the EU-"Affäre:Malheur mit vier Buchstaben

Lesezeit: 3 min

Die Affäre um die EU-Äußerung der US-Diplomatin Victoria Nuland ist auch nach ihrer Entschuldigung noch nicht ausgestanden. Was es mit der Veröffentlichung im Netz auf sich hat, wer dafür verantwortlich ist und was der Fall für die Diplomatie bedeutet. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Johannes Kuhn

Freitage stehen im Brüsseler EU-Universum nicht gerade für Betriebsamkeit. Heute dürfte das anders sein: Gleich zwei veröffentlichte Telefonmitschnitte sorgen in den internationalen Beziehungen für Aufregung.

Zwar hat sich Amerikas oberste Europa-Diplomatin Victoria Nuland für ihr "Fuck the EU" schon entschuldigt, von dem die Öffentlichkeit über eine heimliche Aufnahme erfahren hat. Doch die Affäre ist damit noch lange nicht ausgestanden. Im Zuge dessen finden außerdem zwei ranghohe EU-Diplomaten ein gemeinsames Telefonat im Netz wieder: die stellvertretende EU-Außenbeauftragte Helga Schmid und der EU-Botschafter in Kiew, Jan Tombinski.

Was hat es mit den abgehörten Gesprächen auf sich? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

"Fuck the EU" - wie ist das zu verstehen?

Der inzwischen schon legendäre Satz fällt in der zweiten Hälfte eines heimlich aufgezeichneten Telefonats zwischen Nuland und dem amerikanischen Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt. Die Politiker diskutieren, wie der Konflikt zwischen ukrainischer Regierung und Opposition beigelegt werden könnte. Nuland will die Vereinten Nationen stärker einbeziehen - und signalisiert mit diesen drei wenig schmeichelhaften Worten, dass sie dabei keine Rücksicht auf die EU-Diplomatie nehmen möchte. Eine Bestätigung der Echtheit des Gesprächs gibt es nicht - aber auch kein Dementi.

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Was ist der Hintergrund?

Die Europäische Union versucht gerade in Person der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in der Ukraine zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln. Die USA glauben offenbar, dass dies ein Fehler ist und sich die EU als Akteur, nicht als Schlichter positionieren sollte. In dem zweiten anonym veröffentlichten Telefongespräch beklagt sich Ashtons Stellvertreterin Helga Schmid beim EU-Botschafter in Kiew, Jan Tombinski, darüber, dass die USA "die EU an den Pranger stellen und sagen, wir seien da zu soft." Während Washington der ukrainischen Regierung inzwischen mit Sanktionen droht, wollen Europas Diplomaten derzeit noch nicht so weit gehen und stattdessen weiter durch Gespräche zu Lösungen kommen.

Woher kommen die Aufnahmen?

Klar ist, dass es sich um Abhör-Material eines Geheimdienstes handeln muss. "Re Post" heißt das Youtube-Konto, unter dem die Videos veröffentlicht wurden. Über der Beschreibung des Nuland-Videos steht in kyrillischer Schrift "Die Marionetten vom Maidan". Die USA verdächtigen Russland hinter der Veröffentlichung, da Dmitrij Loskutow - ein Berater des russischen Vizeregierungschefs Dmitrij Rogosin - das Video mit einem Tweet bekannt gemacht hat. "Dies ist ein neuer Tiefstand der russischen Spionagetaktik", sagte eine Sprecherin des amerikanischen Außenministeriums.

Lässt sich dieser Vorwurf beweisen?

Auch wenn Moskau der Janukowitsch-Regierung nahesteht, damit Interesse an einer Diskreditierung hätte und die Publikation kompromittierender Videos in Russland Tradition hat: Belegen lässt sich der Vorwurf der Amerikaner bislang nicht. Der twitternde Loskutow erklärt, über das Posting eines Freundes in einem sozialen Netzwerk auf den Mitschnitt aufmerksam geworden zu sein. Die US-Geheimdienste können Google gesetzlich verpflichten, alle Informationen über das "Re Post"-Youtube-Konto und die IP-Adressen herauszugeben, von denen darauf zugegriffen wurde. Sollten Profis am Werk gewesen sein, dürften derlei Spuren jedoch durch Anonymisierungstools verwischt worden sein.

Was bedeutet die Affäre für die Ukraine?

Die Oppositionsbewegung ist durch die Mitschnitte diskreditiert - was übrigens auch im Sinne des Regierungschefs Janukowitsch wäre. Die Amerikaner reden offen darüber, welchen der drei Oppositionsführer sie gerne in einer Übergangsregierung sähen - ein Beleg dafür, wie stark der Westen involviert ist. Überraschend ist das zwar nicht, doch das Telefonat vermittelt einen fatalen Eindruck der Fremdsteuerung. Auch Vitali Klitschko ist beschädigt: Ihm trauen die USA offenbar nicht zu, politische Verantwortung zu übernehmen.

Was bedeutet das für das transatlantische Verhältnis?

Für Diplomaten ist eine wichtige Regel: beim Lästern nicht erwischen lassen. Dass nun ausgerechnet die international erfahrene Nuland diesen Fehler begeht, sorgt für Kopfschütteln. Nuland war immerhin damit beauftragt, die ob der NSA-Affäre angespannten Beziehungen zwischen den USA und Europa zu reparieren. Kann sie nun weiter glaubwürdig vom "engsten Verbündeten" schwärmen? Andererseits: Diplomaten sind keine Heiligen. Die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine können den gegenwärtigen Streit zudem schnell in den Hintergrund drängen.

Politiker in der Fettnäpfchen-Falle
:Einfach mal die Klappe halten

Die schnurrende Queen: Im Gespräch mit New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg plaudert der britische Premier Cameron über die Reaktion der Königin auf das Schottland-Referendum. Blöd nur, dass Mikrofone alles aufnehmen. Damit reiht Cameron sich ein in die Galerie peinlicher Diplomatie-Patzer.

Was bedeutet die Veröffentlichung für die Diplomatie?

Der Upload der Youtube-Videos könnte schwerwiegende Folgen haben. Die Botschaft an die USA ("Ihr werdet auch abgehört") mag nach dem NSA-Skandal eine gewisse Ironie besitzen; die Tatsache allerdings, dass erstmals womöglich ein Staat direkt solche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich macht, erschüttert den auf Vertraulichkeit fußenden diplomatischen Betrieb.

Dass sich Diplomaten der Abhör-Gefahr bewusst sind, zeigt das Schmid-Tombinski-Gespräch: Schmid sagt nicht direkt, dass die EU auf Seiten der Opposition steht, sie verwendet das Wort "Freiheit". Tombinski berichtet von neuen Informationen, redet aber nicht am Telefon darüber, sondern will sie "schicken". Bislang wussten Politiker, dass sie womöglich abgehört werden und deshalb vorsichtig sein müssen. Nun müssen sie fürchten, dass ihre Gespräche direkt an die Weltöffentlichkeit gelangen.

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Mitarbeit: Julian Hans

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