"Frühjahrsoffensive" der Radikalislamisten in Afghanistan:Alle wollen Frieden - doch niemand spricht mit den Taliban

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Westliche Diplomaten und die afghanische Regierung sprechen viel von ihren Plänen für ein friedliches Afghanistan - mit den fundamentalistischen Taliban spricht allerdings derzeit niemand. Der Sohn eines ermordeten Politikers soll jetzt dafür sorgen, dass die "nationale Einheit" wiederhergestellt wird.

Tobias Matern

In Afghanistan ist dieser Tage oft die Rede davon, wie geschwächt die Taliban seien. Vertreter der Internationalen Schutztruppen (Isaf) berichten von Fortschritten im Kampf gegen die Aufständischen und betonen: Direkte Gefechte sind seltener geworden. Stattdessen nehmen die asymmetrischen Formen der Kriegsführung zu - Selbstmordanschläge, Sprengstoffangriffe und Guerillaattacken, wie sie am Sonntag Kabul im Atem hielten. Afghanische Regierungsvertreter wiederum verweisen auf die angeblich erstarkte einheimische Polizei und Armee. Und westliche Diplomaten geben sich überzeugt, der Zeitplan zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung bis Ende des Jahres 2014 sei zu erfüllen.

Salahuddin Rabbani hat nach der Ermordung seines Vaters das Amt als Vorsitzender des Hohen Friedensrates übernommen. (Foto: dpa)

Diese durchweg positiven - böse Zungen würden behaupten, naiven - Einstellungen speisen sich vor allem aus einer Tatsache: Es gibt keine erkennbare Alternative, keinen Plan B, auch wenn es im Westen immer wieder heißt, Afghanistan werde nicht im Stich gelassen. Deutlich ist aber längst, dass alle Seiten des Einsatzes müde sind. Die einst großen Hoffnungen für das ferne Land am Hindukusch haben sich nicht erfüllt, die Instabilität bleibt, auch wenn das Terrornetzwerk al-Qaida weitgehend zerschlagen ist.

Die Amerikaner planen, nach 2014 Zehntausende Soldaten in Afghanistan stationiert zu lassen. Genaue Zahlen gibt es noch nicht. Die bei den Afghanen unbeliebte, weil korrupte, Regierung möchte das Tempo für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in einheimische Hände erhöhen. "Wir wollen, wenn es möglich ist, schon Ende des Jahres 2013 in der Lage sein, unser Land selbst zu verteidigen", sagte Rangin Dadfar Spanta, der Sicherheitsberater von Präsident Hamid Karsai, der Süddeutschen Zeitung bei einem Gespräch am Samstag in Kabul.

Zwar sollten die ausländischen Kampftruppen wie vereinbart zu dem Zeitpunkt noch im Land bleiben, um im Notfall eingreifen zu können. Aber die Afghanen müssten die Lage so schnell wie möglich selbst kontrollieren können, verlangte Spanta. Dieser Zeitplan klingt nach Wunschdenken. Vor allem weil der afghanische Sicherheitsberater selbst freimütig einräumt, mit den Taliban gebe es derzeit an keiner Front ernstzunehmende Kontakte, die zu Friedensgesprächen führen könnten. "Das zu behaupten, wäre Selbstbetrug", sagte Spanta.

Die Amerikaner hatten, vermittelt von deutschen Diplomaten, vor einigen Monaten Konsultationen mit den Islamisten im Wüstenemirat Katar aufgenommen. Diese Treffen sind von den Taliban aber inzwischen auf Eis gelegt worden.

Vermittlung durch den Hohen Friedensrat

Auch die innerafghanischen Bemühungen, die Aufständischen an den Verhandlungstisch zu bringen, haben mit dem Mord an Burhanuddin Rabbani, dem Chef des Hohen Friedensrates, bereits im September einen schweren Rückschlag erlitten. Noch bevor die Taliban Kabul am Sonntag terrorisierten, hatte die Regierung Rabbanis Sohn, Salahuddin, als neuen Vorsitzenden des Friedensrates präsentiert.

Bisher war er Botschafter Afghanistans in der Türkei. Salahuddin Rabbani gilt als smart, hat im Westen studiert und war für sein Land bereits bei den Vereinten Nationen in New York diplomatisch aktiv. Sein Problem für diese Mission: Die Taliban erkennen die Regierung Karsai nicht an. Rabbani solle die "nationale Einheit voranbringen", hieß es in einer Stellungnahme aus dem Präsidentenpalast, er solle die Taliban in den Versöhnungsprozess einbeziehen. Das sind schöne Worte, mehr nicht.

Staatschef Karsai plant derweil seine Zukunft. Er deutete jüngst an, die eigentlich für 2014 geplanten Wahlen um ein Jahr vorzuziehen, weil er die Abstimmung nicht zum selben Zeitpunkt abhalten will, an dem die westlichen Kampftruppen das Land verlassen. Laut Verfassung darf Karsai nicht erneut antreten. Beobachter rechnen auch nicht damit, dass er diese Ambition hat.

© SZ vom 16.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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