Frankreich startet Roma-Abschiebung:Abflug ins Ungewisse

Aller Kritik zum Trotz: Frankreich beginnt mit der Abschiebung der Roma. 93 "Freiwillige" werden außer Landes gebracht, weil Staatspräsident Nicolas Sarkozy keine illegalen Einwanderer mehr dulden will. Die EU ist bestürzt.

Die heftige Kritik aus dem In- und Ausland hat die Regierung von Nicolas Sarkozy nicht stoppen können: Frankreich hat an diesem Donnerstag mit der Abschiebung von Roma begonnen. Insgesamt 93 Menschen sollen außer Landes gebracht werden.

Roma who are part of a voluntary repatriation scheme stand at the check-in desk for their flight to Romania at the Charles-de-Gaulle airport

Roma am Flughafen von Paris: 100 bis 300 Euro Abfindung für einen Flug ohne Wiederkehr.

(Foto: REUTERS)

Die ersten 14 Roma seien bereits am Morgen an Bord einer Linienmaschine am Flughafen von Paris abgeflogen, teilte ein Sprecher des französischen Einwanderungsministeriums mit. Weitere 79 Angehörige der Volksgruppe sollten im Laufe des Tages mit einer Chartermaschine vom Flughafen Lyon nach Rumänien abgeschoben werden. Für Freitag ist offenbar ein weiterer Flug geplant.

Digitale Fingerabdrücke

Die Abgeschobenen erhielten nach Angaben der französischen Behörden zwischen 100 und 300 Euro, um ihnen den Neuanfang in ihrem Heimatland zu erleichtern.

Da sie EU-Bürger sind, könnten sie ungehindert jederzeit nach Frankreich zurückkommen. Frankreich will jedoch von September an digitale Fingerabdrücke nehmen, um zu verhindern, dass sich jemand die Unterstützung mehrfach auszahlen lässt.

Die Flüge sind Teil des harten Vorgehens von Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der Roma in öffentlichen Äußerungen mit Verbrechen in Verbindung gebracht hat. Er bezeichnete ihre Lager als Quelle von Drogenschmuggel, Ausbeutung von Kindern und Prostitution.

Ende Juli kündigte er an, er werde Lager, die ohne Genehmigung errichtet worden sind, "systematisch räumen" lassen. Bei mehreren Dutzend Lagern ist das bereits geschehen. Zuvor hatten Roma nach dem Tod eines Jugendlichen ein französisches Polizeirevier angegriffen.

"Wir sind sehr besorgt"

Das Vorgehen der französischen Regierung hat im In- und Ausland Befürchtungen ausgelöst, die verarmte Volksgruppe der Roma werde diskriminiert. Der rumänische Staatspräsident Traian Basescu erklärte, man verstehe die Probleme, die Roma-Lager in der Umgebung französischer Städte auslösten. Jeder EU-Bürger habe jedoch das Recht, sich innerhalb der Union frei zu bewegen. Man wolle mit Frankreich kooperieren, um Lösungen zu finden. Rumänien trat der EU 2007 bei.

Die EU befürchtet, Sarkozys Initiative könne zur Stigmatisierung der Roma führen. "Wir sind sehr besorgt über jede Diskriminierung", sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Roma seien vollständige EU-Bürger und hätten natürlich alle damit verbundenen Rechte, darunter die Bewegungsfreiheit innerhalb der EU.

Einige Kritiker vermuten, Sarkozy wolle mit seinem Vorgehen gegen die Roma von den wirtschaftlichen Problemen in Frankreich ablenken und vor der Präsidentschaftswahl 2012 rechtsgerichtete Wähler für sich gewinnen. Innenminister Brice Hortefeux erklärte, Frankreich bemühe sich, keine Volksgruppe zu stigmatisieren. Aber die Regierung müsse handeln: "Wir setzen einfache Regeln durch: Man kann nicht illegal Land ohne Genehmigung besetzen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: