Flugverkehr:Strenger Blick ins Cockpit

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Die Airlines sollen künftig psychisch auffällige Piloten identifizieren - etwa mittels Alkohol- und Drogentests. Dies hat eine Expertengruppe der Europäischen Union angeregt - auch als Folge des Germanwings-Unglücks.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Eine Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission hat sich dafür ausgesprochen, unangekündigte Alkohol- und Drogentests bei Piloten einzuführen. Auf diese Weise sollen psychisch instabile Piloten identifiziert und besser betreut werden können. Auch psychologische Tests bei der Auswahl von Piloten und auch während deren Karriere sollen garantiert werden.

Transportkommissarin Violeta Bulc hatte die Task Force nach dem Absturz des Germanwings-Airbus A320 in den südfranzösischen Alpen ins Leben gerufen. Nach dem vorläufigen Untersuchungsbericht der französischen Flugunfallbehörde BEA und Erkenntnissen der Marseiller Staatsanwaltschaft hatte Copilot Andreas Lubitz das Flugzeug am 24. März absichtlich gegen einen Berg geflogen, nachdem der Kapitän das Cockpit verlassen hatte. Alle 150 Menschen an Bord kamen bei dem Crash ums Leben.

Die Germanwings-Katastrophe im März hatte die Brüsseler Experten auf den Plan gerufen

Recherchen nach dem Absturz brachten massive psychische Probleme des Piloten zutage, die dieser vor Ärzten und seinem Arbeitgeber verheimlicht hatte. Lubitz musste wegen einer längeren depressiven Episode seine Ausbildung bei der Lufthansa für mehrere Monate unterbrechen, schloss sie dann aber erfolgreich ab.

Die Arbeitsgruppe, zu der mit dem für den Flugbetrieb zuständigen Bereichsvorstand Kay Kratky auch ein Vertreter des Lufthansa-Konzerns gehörte, sprach insgesamt sechs Empfehlungen aus. Diese sind rechtlich nicht bindend und sollen mit Hilfe von zusätzlichen Experten weiter analysiert und anschließend europaweit angewandt werden.

Eines der wichtigsten Ergebnisse ist, dass die Cockpit-Türen auch weiterhin sicher verriegelt sein sollen - obwohl Andreas Lubitz' tödlicher Plan auch deswegen gelang, weil er den Kapitän nicht mehr durch die Tür ließ, die von außen nicht ohne Unterstützung von innen zu öffnen war. Hingegen empfiehlt auch die EU den Airlines, die bei vielen unmittelbar nach dem Germanwings-Crash eingeführte Zwei-Personen-Regel für das Cockpit dauerhaft einzuführen. Verlässt ein Pilot die Kanzel, muss im Zweifel ein Flugbegleiter so lange im Cockpit bleiben, bis der Kommandant zurückkehrt.

Die Kommission will zudem sicherstellen, dass psychisch auffällige Piloten erkannt werden. Ein Mittel dabei sind die unangekündigten Alkohol- und Drogentests. Lubitz hatte offensichtlich zeitweise starke Antidepressiva genommen, die bei Untersuchungen auch noch im Nachhinein gefunden worden wären. Einen ähnlichen Vorschlag hatte bereits Lufthansa-Chef Carsten Spohr gemacht. Zudem sollen alle Piloten auch psychologische Tests vor und nach ihrer Einstellung bei einer Fluggesellschaft durchlaufen. Dadurch sollen labile Kandidaten von vornherein ausgemustert werden, bereits übernommenen Piloten soll besser geholfen werden können. Die Kommission will auch den Zugang zu medizinischen Daten der Piloten europaweit vereinfachen und innerhalb der Unternehmen Berichtssysteme fördern. Die Frage ist aber, ob und wie dies mit nationalem Datenschutzrecht vereinbar wäre.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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