Flüchtlinge:Jedem seine Insel

Skandinavien schickt die Flüchtlinge im Kreis - so wie sich die EU-Politik weiter im Kreis dreht.

Von Stefan Kornelius

Munter schreitet die Verzwergung Europas voran, diesmal mit dem Altmitglied Schweden, das an diesem Montag seine Grenzen kontrolliert und sich vorbehält, Flüchtlinge auch wieder dorthin zurückzuschicken, wo sie gerade herkommen. Das wird der Nachbar Dänemark sein, der sich bisher - wenn überhaupt - als Flüchtlings-Transitland verstanden hat. Dänemark könnte also auch die Grenzen kontrollieren wollen, diesmal die zu Deutschland, was die absurde Flüchtlingsprinzip in der EU belegt: O heiliger Sankt Florian, verschon' mein Land, zünd's andre an.

Die nordeuropäischen Staaten zeigen zweierlei: Deutschland ist für Flüchtlinge das Gravitationszentrum in der Mitte der Gemeinschaft und wird das eine Weile lang bleiben. Zweitens kann es zu unberechenbaren Konsequenzen führen, wenn ein Land seine Grenzen dichtmacht. Erlaubte sich Deutschland diese Freiheit, dann würde das die Balkan-Staaten gefährlich destabilisieren.

So wie die Flüchtlinge also im Kreis geschickt werden, so dreht sich die Politik in Europa im Kreis. Die bislang vernünftigste Idee - mehr Hilfe in den Krisenländern, gesteuerte Aufnahme überall in der EU, Verteilung der Lasten - wird von zu vielen als Zumutung und Bedrohung empfunden. Dabei lehrt doch die Geschichte die eigentliche, wenn auch abstraktere Botschaft: Niemand in Europa kann so tun, als sei er eine Insel.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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