Liberale Ursachenforschung:Zu dumm für die FDP

Auf 1,8 Prozent ist die FDP in Berlin abgestürzt. Das kann nicht allein die Schuld der Partei sein, finden zumindest die Liberalen. Ein nicht ganz unbekannter FDP-Politiker liefert nun seine eigene Erklärung: Die Masse der Wähler sei zu ungebildet.

Thorsten Denkler, Berlin

Es dürfte kein Spaß sein, in der heutigen Zeit FDP-Mitglied zu sein. Wer sich als solches outet, erntet meist Hohn und Spott und im besten Fall ein mitleidiges Lächeln. Es gibt seit der Bundestagswahl auch wenig, was Grund zu Freude gäbe. In diesem Jahr hat die Partei bis auf Hamburg alles verloren, was sie verlieren konnte. Fünf Mal hat die Anti-FDP-Welle sie aus den Landesparlamenten gespült. Zuletzt in Berlin, wo die Partei jetzt mit 1,8 Prozent ähnlich abschnitt wie die Tierschutzpartei.

Aber kann das alles die Schuld der FDP sein, dieser großen alten liberalen Kraft? Der Partei von Hans-Dietrich Genscher und Walter Scheel?

Es dürfte derzeit keinen Liberalen geben, den diese Frage nicht umtreiben würde. Dabei hat die Partei doch alles probiert: Einen neuen Parteivorsitzenden, einen neuen Ton, eine harte Haltung in der Euro-Frage. Viele sehen die Ursache des Übels in den vermurksten Koalitionsverhandlungen am Beginn des einstigen Traumprojektes Schwarz-Gelb. Andere hatten fälschlicherweise darauf gesetzt, dass mit dem Rauswurf des ungeliebten Parteichefs Guido Westerwelle die Lösung gefunden sei.

Gut, dass es da noch Liberale gibt, die die Ursachenforschung des Niedergangs der eigenen Partei von einer ganz anderen Seite her betreiben. In Hessen etwa sitzt ein gewisser Dirk Pfeil fest im Chef-Sessel der einflussreichen Frankfurter FDP. Dirk Pfeil? Richtig, das war der Mann, der 2009 zeitweilig als Opel-Treuhänder tätig war. Der Insolvenz-Experte brachte es zu einer gewissen Berühmtheit, weil er sich damals gegen der Verkauf Opels an den österreichischen Zulieferer Magna ausgesprochen hatte.

"Meinungslos, sprachlos"

Pfeil, Präsidiumsmitglied der hessischen FDP, hat eine ganz eigene Vorstellung, wie das Drama seiner Partei zu erklären ist. Aus seiner Sicht liegt es nicht an Rösler oder an Westerwelle, dessen Rücktritt Pfeil selbst noch im Dezember gefordert hatte. Nein. Schuld sind die Wähler. Genauer gesagt: das durchschnittliche Bildungsniveau der Wähler.

Der Frankfurter Neuen Presse gab Pfeil jetzt ein Interview, das durchaus einen kleinen Einblick in die innere Verfasstheit der Partei geben kann. Gefragt, warum der eurokritische Wahlkampf der Berliner FDP nichts gebracht hat, antwortet Pfeil, es sei "schlimm, dass die Mehrheit der Bevölkerung keine politische Bildung genossen hat. Die Masse ist meinungslos, sprachlos."

Der Interviewer will es genauer wissen. "Also sind die Wähler zu ungebildet, um die Botschaft der FDP zu verstehen?" Pfeil: "Die Masse ja. Deswegen werden wir nie eine Volkspartei. Liberal zu sein, ist keine Massenmeinung."

Heißt: Nicht die FDP macht Fehler, die Wähler sind einfach zu dumm für die FDP. Klar, gedacht haben das viele schon. Und hinter vorgehaltener Hand wird seit langem gemunkelt, dass in den SPD-geführten Ländern deswegen so wenig für Bildung gemacht wird, damit die FDP keine Schnitte mehr hat.

So offen aber hat das noch keiner gesagt. Und es kommt noch besser. Ob ihn der Erfolg der Piraten in Berlin ärgere. Nein, das ärgere ihn nicht, sagt Pfeil, das habe er aufgegeben. Aber: "Ich verzweifle am mangelnden Willen der Wähler, sich ein bisschen schlauer zu machen."

Aber weiß denn Pfeil, wie es besser gehen könnte, wie die FDP wieder aus dem Abgrund emporsteigen kann? "FDP wählen" als Unterrichtsfach, vielleicht? Oder verpflichtende FDP-Kurse an den Volkshochschulen für alle Bürger - mit kostenloser Teilnahme gegen eine kleine Parteispende?

Pfeil weiß es auch nicht. "Wenn ich das wüsste - dann würde ich es vermutlich nicht einmal laut sagen, weil es die anderen Parteien dann nachmachen würden."

Schade eigentlich. Denn was ist Pfeil noch mal unter anderem von Beruf? Richtig. Insolvenzverwalter. In der Hinsicht könnte er der FDP momentan tatsächlich gute Tipps geben.

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